Die letzte Anleihe

Dokument 66

ähnlich den „Gold gab ich für Eisen“-Aufrufen sind Kriegsanleihen probate, den Staat einseitig begünstigende, propagandistisch-patriotisch aufgeladene Finanzierungsinstrumente der Kriegswirtschaft. Kollektive Opferbereitschaft ist Gebot der Stunde – und das Jahr für Jahr.

Die Kriegsanleihen waren das wichtigste Finanzierungsinstrument zur Deckung der Kriegsausgaben sowohl in österreich-Ungarn als auch im Deutschen Reich. Formal gesehen sind Kriegsanleihen verzinsliche Wertpapiere, vermittels derer staatliche Institutionen zusätzliche Geldmittel auf Kreditbasis zu gewinnen trachten. Die Tilgung von Kriegsanleihen hängt allerdings (stets unausgesprochen) vom Ausgang der kriegerischen Auseinandersetzung ab, kommt also, verkürzt ausgedrückt, einer Wette auf den Sieg der eigenen Streitkräfte nahe. Diesem Makel wurde durch eine etwas höhere Verzinsung, die bewusste Ausschaltung sonstiger Geldanlageformen und vor allem durch eine massive Propaganda, welche die Zeichnung der Kriegsanleihen zur patriotischen Pflicht erklärte, begegnet.

In einem Exposé vom Sommer 1914 sah k. k. Finanzminister Freiherr von Wimmer die Aufnahme einer Kriegsanleihe von einer Milliarde Kronen vor. Er wollte mit der Höhe der Anleihe ein Zeichen der Stärke setzen, um das Vertrauen in die finanzielle Leistungsfähigkeit österreich-Ungarns zu dokumentieren. Schon die erste Kriegsanleihe im September dieses Jahres übertraf diese Planungen bei Weitem – sie erbrachte in Cisleithanien 2,153 Milliarden Kronen. Insgesamt wurden hier bis Kriegsende acht Anleihen im Umfang von 35,13 Milliarden Kronen zur öffentlichen Zeichnung ausgegeben. Die ersten drei Kriegsanleihen in Form von fünfprozentigen Schatzscheinen, die Rückzahlung zur Schonung des Staatsschatzes gestaffelt ab 1. April 1920, 1. Mai 1925 bzw. 1. Oktober 1930. Die nächsten fünf Kriegsanleihen wurden in Form von vierzigjährigen Schuldverschreibungen ausgegeben, gleichzeitig wurden auch Schatzscheine emittiert. In Ungarn wurden 17 Anleihen in der Höhe von 18,85 Milliarden Kronen aufgelegt, 13 davon öffentlich, meist in Form von sechsprozentigen, später fünfeinhalbprozentigen Staatsrenten, und vier direkt an Kreditinstitute freihändig vergeben, in Form kurzfristiger fünf- und fünfein- halbprozentiger Schatzscheine. Die Kriegsanleihen wurden jeweils nur im Inland und in geringem Umfang bei den verbündeten Mächten aufgelegt. Der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie 1918 begrub die Hoffnungen auf Rückzahlung der riesigen Schulden durch Reparationen und Gebietsabtretungen der Kriegsgegner, tatsäch- lich wurden sie in der Hyperinflation bis 1923 total entwertet und durch den Gegenwert eines Butterbrotes abgelöst.

Für jede der acht Emissionen von Kriegsanleihen waren regelrechte Kampagnen insze- niert worden, mit Werbeveranstaltungen, Ausstellungen, Zeitungsannoncen und Plakaten. Gerade Letztere zeichnen sich durch eine Vielzahl an oft hochqualitativen Arbeiten aus, die die stilistische Bandbreite der beauftragten Künstler widerspiegeln und natürlich auch die Ambitionen und ästhetischen Standards der unterschiedlichen Auftraggeber, fast ausschließlich Bankinstitute. Mit Fortdauer des Kriegs lässt sich auch eine Entwicklung in den Sujets feststellen, beginnend von martialisch-euphorischen Kompositionen bis zu nüchtern-defensiven Darstellungen, die die Notwendigkeit betonten, weitere Geldmittel aufzubringen, um den ersehnten Frieden zu erreichen.

Eine besondere Stellung am Ende dieser Entwicklung nimmt ein Werbeplakat von Karl Sterrer für die achte (und letzte) Kriegsanleihe im Juni 1918 ein. Sterrer (1885–1972), als Kriegsmaler in der Kunstgruppe des Kriegspressequartiers beschäftigt, gelang mit dieser Radierung eine bewegende, auch pathetische, aber alles Militärische bewusst aussparende Darstellung: Im Vordergrund, ganz in Dunkelgrau, eine einzelne, antikisierend gestaltete Büste eines Mannes mit Bürgerkrone, düster auf den Betrachter blickend, flankiert von stilisierten Flammen als einzigem Farbtupfer, darüber ein grau-weißer Strahlenkranz, dessen Ausgangspunkt hinter dem Horizont liegt.

Sterrers Werk dokumentiert, auch durch seine lange Lebensspanne, viele stilistische und politische Entwicklungen. So lehrte er z.B. von 1921 bis 1945 an der Akademie der bildenden Künste, wo er mehrere bedeutende Schüler beeinflusste. Er war wahrscheinlich einer der wenigen Künstler, die zweimal ihre Professur verloren: 1938 nach dem „Anschluss“ und nach seiner Rehabilitierung durch die Nationalsozialisten und NSDAP-Mitgliedschaft 1945 endgültig.

– Herbert Hutterer –

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Kriegsanleihe der Monarchie

Dokument 66

1. Juni 1918, Wien. Erste Seite der Staatsanleihe über 10.000 Kronen, die achte und damit letzte Kriegsanleihe Österreich-Ungarns.

Plakat zur 8. Kriegsanleihe

Dokument 66

Das von Karl Sterrer gestaltete Werbeplakat des Wiener Bank-Vereins für die Zeichnung der achten (und letzten) Kriegsanleihe. Juni 1918.