Der Kampf um Wald und Weide

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Ressourcenverknappung führt seit dem Spätmittelalter zu massiven Einschränkungen von Eigentums- und Nutzungsrechten zuungunsten der bäuerlichen Bevölkerung. Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entladen sich die Spannungen in zahlreichen Bauernaufständen, Revolten und Kriegen.

Im Verlauf jenes Prozesses, der am präzisesten wohl mit dem Begriff der „ursprünglichen Akkumulation“ * umschrieben wird, kam es zu massiven Einschränkungen der alten bäuerlichen Nutzungsrechte an Wäldern, Weide- und Ackerland, zu förmlichen Massenenteignungen mit entsprechend weitreichenden sozialen Folgen.

Seit das Haus Habsburg Großmachtambitionen verfolgte und sogar realistische Perspektiven in Richtung europäischer Hegemonialmacht bestanden, konzentrierte sich sein (ökonomisches) Interesse in den österreichischen Erblanden zunehmend auf die überaus ertragreichen Salinen und die Entwicklung des Bergbaus. Deshalb zielte die Grundbesitzpolitik der Landesherren ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vor allem auf eine nachhaltige Sicherung des gestiegenen Holzbedarfs der Salzgewinnung und des Montanwesens ab. Dies und die wachsende Bedeutung neu entstehender städtischer Märkte hatten eine folgenreiche Umwälzung der Eigentums-, Verfügungs- und Nutzungsrechte an Wäldern und Weiden als Konsequenz. An die Stelle der autonomen Regelung der bäuerlichen Rechte durch die „Bantaidinge“** trat die obrigkeitliche Gewalt der landesfürstlichen Gesetzgebung.

Dabei ging es zunächst vor allem gegen den bäuerlichen Kollektivbesitz an Almendwäldern, die „gemain höltz“ – und zwar solange, bis der größte Teil der Waldungen in das Eigentum des Landesfürsten übergegangen war; auch die vordem „freie Holzung“ war nun an die herrschaftliche Erlaubnis gebunden. Dem folgte der Angriff auf den individuellen Besitz: Eine zunehmende städtische Nachfrage ermöglichte den übergang von der eigen- bedarfsorientierten Grundherrschaft zu einer für den Markt produzierenden Gutsherrschaft. Dies setzt einerseits eine Ausdehnung des Herrenlandes auf Kosten der bäuerlichen Markgenossenschaften voraus und andererseits sowohl die Vertreibung der Bauern von Hof und Acker (das sogenannte „Bauernlegen“) als auch eine erhöhte Arbeitspflicht durch Ausdehnung der Fron. Doch wie drastisch die bäuerlichen Klagen über den Entzug der gemeinsamen Nutzungsrechte, über Fischerei- und Jagdverbote auch gewesen sein mögen, in diesem gewaltsamen Prozess kommt eine ökonomische Notwendigkeit zum Ausdruck. Denn nur solange die Bevölkerung eine bestimmt Größe nicht überschritt, war es möglich und sinnvoll, dass sie frei über die faktisch unbegrenzte Ressource Wald verfügen konnte. Das allmähliche Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende Entwicklung von Städten und Bergbau machten es jedoch notwendig, diese Verfügbarkeit zu regulieren und zu beschränken. Es war der Beginn einer in Ansätzen planmäßigen Forstwirtschaft, die auf die dauerhafte Sicherung eines enorm gewachsenen Bedarfs Bedacht nahm. Der ökonomische Fortschritt hatte aber eine tendenzielle Verelendung der bäuerlichen Massen zur Folge.

Wieder und wieder erhebt sich die Frondienst leistende, hörige Bauernschaft gegen den herrschaftlichen Raub an Wald, Acker und Weide, erstmals bereits im 15. Jahrhundert: 1462 im Pongau und im Pinzgau sowie im Brixental, 1471 in der Obersteiermark, 1478 im steirischen Ennstal sowie in Kärnten – es galt „die gemain sag“, sie wollten sich nach den „trewlosen Sweytzer gewonhayten“ halten. 1515 stehen die Steiermark und Kärnten abermals auf, unter dem Eindruck der Revolte György Dózsas in Ungarn sowie des
„Armen Konrad“ in Schwaben und ausgehend von der Erhebung der windischen Bauern für die stara prawda, das Alte Recht. Ein Jahrzehnt später sind die Bergbau- und Salinengebiete Tirols, Salzburgs und des Ennstals Schauplatz eines erbitterten, grausamen Aufruhrs, der erstmals auch „proletarische“ Züge aufweist; die Bergknappen von Schwaz, des Gasteiner und Rauriser Tals, die Arbeiter der Gewerkstätte Aussee, von Schladming und Murau bieten die rebellische Bauernmasse auf. Erstmals bleibt ein Bauernheer – und zwar in Schladming – siegreich. Der Aufstand, der auf den oberösterreichischen Attergau übergreift, befördert (unter Berufung auf die Bibel und formuliert von dem Intellektuellen Michael Gaismair) Visionen einer gerechten Welt der Gleichen und der Freien, jenseits aller Hierarchien von Stand und Geburt. Ein ganzes weiteres Jahrhundert ist erfüllt von militanter bäuerlicher Widersetzlichkeit – mit dem Höhepunkt 1595–1597 im Mühl- und Hausruckviertel sowie im süd- und nordöstlichen Niederösterreich –, bis die Bauernkriege 1626 in Oberösterreich mit dem heroischen Kampf Stefan Fadingers und Christoph Zellers ihren tragischen Abschluss finden.

Tausende und Abertausende Bauern und Bergknappen haben ihr sozialrevolutionäres Auf- begehren mit Folter und Tod an Galgen und Rad gebüßt, „sengend und brennend“ zog das Strafgericht der kaiserlichen Heere durch die Dörfer. Diese Strafexpeditionen erst bringen die „ursprüngliche Akkumulation“ zum Durchbruch. Sie erst sichern – als Vorbote der frü- hen Moderne – nachhaltig die soziale Dominanz und den materiellen Reichtum von Adel und Kirche. Es ist jener Reichtum, der die städtischen Luxusindustrien zum Aufblühen bringen und die berühmte österreichische Barockkultur ermöglichen wird – als symbolische Repräsentation einer triumphierenden Gegenreformation und als baulicher Ausdruck der Herrlichkeit Gottes auf Erden.

– Wolfgang Maderthaner –


* Von Karl Marx in Anlehnung an die von Adam Smith geprägte Begrifflichkeit der „previous accumulation“ entwickelter Terminus, der den gewaltbesetzten Prozess der Anhäufung von Kapital bezeichnet, „welcher nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt“. Stets ist dieser Prozess mit der überführung von Gemeinschaftsgütern in Privateigentum bzw. der Enteignung von vordem gemein- schaftlich bearbeitetem Grund und Boden verbunden und beruht auf der Anwendung von (politischen, recht- lichen, physischen) Zwangsmitteln. Joseph Schumpeter hat das Konzept radikal kritisiert, da es die (notwendi- ge) kreative Energie und Initiative eines entstehenden bürgerlichen Unternehmertums schlicht negiere.

** Als Ban(n)taidinge bezeichnet man jene im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in agrarischen Gebieten periodisch abgehaltenen und (tendenziell) die gesamte ländliche Bevölkerung inklusive der Grundherrschaf- ten erfassenden Versammlungen zur Feststellung und Bestätigung dessen, „was rechtens ist“ (Weistümer). Zusätzlich fällten die Ban(n)taidinge Entscheidungen und Urteile in anhängigen Verfahren. Ab dem 14. Jahr- hundert wird dies zur Behauptung der allgemeinen Rechtssicherheit auch schriftlich festgehalten.

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Michael Gaismair - tot oder lebending

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2. April 1526, Eßlingen. Erzherzog Ferdinand, deutscher König ab 1531, befiehlt dem Grafen Rudolf von Sulz, Statthalter von Vorderösterreich, insgeheim zwei oder drei Personen zu engagieren, die den Michael Gaismaier (Gaismair) gefangen nehmen oder töten sollten, und ihnen nach eigenem Ermessen eine großzügige Belohnung auszusetzen. Er wolle für alle Umkosten aufkommen. 1

Schladmings: Zerstörung und Wiederaufbau

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Die Stadt Schladming wurde nach der Niederschlagung des Salzburger und steirischen Bauern- und Knappenaufstandes im Herbst 1525 als Strafsanktion niedergebrannt und sein Wiederaufbau verboten. Die Bewohner versuchten im darauf folgenden Winter immer wieder, in die Ruinen zurückzukehren und diese gegen das Verbot instand zu setzen. Nun fragt der steirische Vizestatthalter bei Erzherzog Ferdinand an, ob dieser gewillt sei, die Rückkehr der Bewohner zu gestatten, ansonsten müssten die Notquartiere erneut abgebrannt werden.