Vampire?

Dokument 28

Des Arztes Summarischer Bericht. Von und über Die so genante Vampir oder Bluthsauger; Wallachischer Sprache Moroi ist weniger aus okkult-esoterischem Gesichtspunkt von Relevanz, er bildet vielmehr eine – wenngleich durch die strenge Brille des Mediziners betrachtete – Milieustudie der einheimischen Bevölkerung.

Geschichten über Vampire gerieten seit den 1720er-Jahren stärker in den Fokus der mittel- und westeuropäischen Gelehrtenblätter. Was die (aufgeklärte) Allgemeinheit daran faszinierte, dürfte neben schaurigem Gruseln auf ein ganzes Bündel an Motiven zurückzuführen sein: das Erstaunen über die „Rückständigkeit“ der betroffenen Landstriche, über die blasphemische Verkehrung zentraler Elemente der christlichen Lehre – Wiederauferstehung, körperliche Unversehrtheit der Toten („Unverwestheit“ als Zeichen für Heiligkeit) und Blutmagie – sowie die barbarischen Rituale bei der Bekämpfung der angeblichen „Vampire“. Die zivilen und militärischen Zentralstellen der österreichischen Monarchie, z.B. der Hofkriegsrat, aber auch regionale Behörden reagierten auf diese Geschichten und entsandten mehrfach Mediziner und chirurgisch ausgebildete Militärs, um vor Ort den Gerüchten nachzugehen. Sie sollten die angebliche Übernatürlichkeit der Phänomene überprüfen und am besten widerlegen, um die Bevölkerung zu beruhigen.

Ungefähr zur gleichen Zeit, in der Georg Tallar mit seinen Untersuchungen beauftragt wurde, hatte der kaiserliche Leibarzt Gerard van Swieten ein Traktat für Maria Theresia verfasst, in dem er anlässlich von Vampirvorkommnissen in Mähren ausführlich zum Problem der Magica Posthuma Stellung nahm. Dieses Traktat, das nicht im Original vorliegt, sondern nur als Druck in einer Rückübersetzung aus dem Französischen, veranlasste Maria Theresia, das Patent Der Aberglaube ist abzustellen vom 1. März 1755 verlautbaren zu lassen. Der Glaube an „Gespenster und Hexerei“ wurde darin als Auswuchs volkstümlichen Aberglaubens bezeichnet, der Zuständigkeit der Geistlichkeit entzogen und den politischen Behörden zugewiesen. Das Wort „Vampir“ kam in dem Patent übrigens kein einziges Mal vor und wurde seitdem von den Behörden konsequent vermieden.

Der Militärchirurg Georg Tallar untersuchte ab 1753 als Teil einer Inquisitionskommission im Auftrag der banatischen Landesadministration Vampirvorfälle in den rumänisch besiedelten Dörfern Klein Dikvan (heute Ticvaniu Mic), Sebell (wahrscheinlich Jebel bei Temesvár) und Kallatsa nördlich von Temesvár. Er war ein sehr erfahrener Chirurg, ausgebildet in Straßburg und seit über 18 Jahren bei verschiedenen österreichischen Regimentern vor allem am Balkan eingesetzt. Nach eigenem Bekunden war er bereits 1724 in Deva in Südsiebenbürgen und 1728 in Oburscha in der damals zum Habsburgerreich gehörenden Kleinen Walachei mit „vampiristischen“ Vorfällen konfrontiert gewesen, bevor er im Banat tätig wurde.

Er beherrschte mehrere Sprachen, darunter Serbisch, Rumänisch („Walachisch“) und Latein, sodass er sich mit der örtlichen Bevölkerung direkt verständigen konnte. In den drei Dörfern ließ Tallar Exhumierungen durchführen und untersuchte die Leichname von innerhalb der letzten drei Monate unter „verdächtigen“ Umständen Verstorbenen. Sein Augenmerk galt daneben auch Kranken, die an Fieber, Verdauungsproblemen, Blässe und Übelkeit litten, was gemeinhin als Zeichen von Vampirkontakten galt. Als er keine Bestätigung für das Vorhandensein von übernatürlichen Einflüssen fand, erweiterte er sein Tätigkeitsfeld und wandte sich den Lebensumständen und Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung zu.

Sein Bericht gehört zu den gründlichsten und detailreichsten Darstellungen der medizinischen Seite des Phänomens. Als Mediziner vertrat er das für seine Zeit typische mechanistische Modell der Körperfunktionen und führte die Krankheits- und Todesfälle auf falsche Ernährung zurück, welche die Verdauung und damit das Gleichgewicht der Säfte im Körper zerstören würden. Zusätzliche Ursachen waren für ihn schädliche Umwelteinflüsse sowie soziale und religiöse Momente. Vom Vampirwahn sei ausschließlich die rumänische Bevölkerung betroffen, die unter dem schädlichen Einfluss von „Kalugern und orthodoxen Popen“ stünde, welche die Gläubigen zum eigenen Machterhalt in Unmündigkeit und wahnhafter Furcht hielten. Dazu kämen einerseits die strengen und zeitlich überzogenen Fastengebote der orthodoxen Kirche mit dem ausschließlichen Konsum gekochten oder eingelegten Gemüses, was zu Mangelerscheinungen und Auszehrung führte, während andererseits die Völlerei zu den christlichen Festen den geschwächten Körpern noch weiter zusetzte. Aberglauben und krankheitsbedingte Halluzinationen, die Behandlung der Kranken durch Einschmieren mit dem Blut ausgegrabener Kadaver von Verstorbenen, die für Vampire gehalten wurden, sorgten für eine wirkungsvolle Basis des Vampirglaubens.

In Georg Tallars Bericht flossen mit der detaillierten Beschreibung der Lebensumstände und Gebräuche der Bevölkerung ethnografische Elemente ein, wenn auch gefiltert durch Geringschätzung und die Wahrnehmung eines Vertreters der Besatzungsmacht, den vor allem die Abwehr einer möglichen Gefahr für die innere Sicherheit interessierte.

– Herbert Hutterer –

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Nosferatu

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Friedrich Wilhelm Murnaus Film „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ von 1922 ist eine, wenn auch nicht autorisierte Adaption des 1897 veröffentlichten Romans „Dracula“ des irischen Autors Bram Stoker. Murnaus Film begründete einen bis heute andauernden regelrechten Vampir-Kult und wurde, in seiner albtraumartigen Inszenierung abgründiger Seelenzustände, häufig in Freud'schen Kategorien beschrieben, als traumatische Kompensation unterdrückter Sexualität. Hauptdarsteller Max Schreck in der Rolle des Grafen Orlok (Nosferatu).

Aberglaubens-Abstellung

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1. März 1755, Wien. Kaiserliches Patent zur „Aberglaubens-Abstellung“.

Vampirakten

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4. Juli 1753. Bericht über die Blutsauger und Widerlegung der Vorfälle im Temesvarer Banat.