"Die Suche nach dem Österreichischen führt uns unweigerlich ins Archiv“
Wolfgang Maderthaner, Generaldirektor des österreichischen Staatsarchivs
Le noireau
Dokument 21
Habsburgs erfolgreichster Heerführer des 18. Jahrhunderts: Körpergröße indirekt proportional zu seiner historischen Bedeutung, Kunstsammler, Bauherr, Mäzen, als „Edler Ritter“ besungener Volksheld: Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736).
Ein halbes Jahrhundert beinahe steht Kaiser Leopold I. (1657–1705) in einem existenziellen Zweifrontenkrieg gegen das bourbonische wie das osmanische Reich. Die „Errettung der Christenheit“ vor Wien 1683 ist ein singulärer Triumph, Vollendung und Apotheose gewissermaßen der habsburgischen Gegenreformation. Sukzessive werden nunmehr die osmanischen Verbände entlang der Donau zurückgedrängt, die kriegsentscheidende Schlacht findet am 11. September 1697 bei Zenta an der Theiß statt und endet mit einer vernichtenden Niederlage des türkischen Aufgebots. In der Folge unternimmt ein kaiserliches Expeditionskorps einen Einfall nach Bosnien, der hohe Symbolkraft hat und der im Wesentlichen den fortgeschrittenen Grad der Verwundbarkeit des Osmanischen Reiches demonstrieren sollte: Ende Oktober wird das von den Türken bereits geräumte Sarajewo mit seinen 120 Moscheen eingeäschert. Der Friede von Karlowitz 1699 markiert dann den Aufstieg des Habsburgerreiches zu einer auf den Balkan hin orientierten zentraleuropäischen Großmacht – eine Orientierung, die es 200 Jahre später schließlich in den Untergang führen wird.
Zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Ungarn-Armee war der 1697 erst 34 Jahre alte Prinz Eugen von Savoyen ernannt worden, der später zu einer legendenumwobenen, mythologisierten, in der historischen Retrospektive häufig ins Unantastbare – und damit Unfassliche – entrückten Heroengestalt werden sollte. Mit dazu bei trugen Literaten vom Range eines Ferdinand Freiligrath, eines Franz Grillparzer, einer Ricarda Huch und, dies vor allem, eines Hugo von Hofmannsthal. Letzterer etwa erkennt im zweiten Jahr des Großen Kriegs (1915) in Eugen jenen „Fremde[n]“, der „nach Gottes sichtbarem Willen den Namen des größten Österreichers“ führt. Und ein Fremder ist Franz Eugen von Savoyen, Fürst von Piemont, Markgraf von Saluzzo, der aus der Nebenlinie Carignan des savoyischen Herrscherhauses stammt, allemal gewesen. Oder vielmehr: ein paradigmatischer Europäer. Romanische, deutsche, byzantinische, armenische Elemente laufen in der väterlichen Linie zusammen, die Mutter Olympia Mancini, eine Nichte des Kardinals Mazarin und zeitweilige Favoritin Ludwigs XIV., zählt den römischen und süditalienischen Hochadel zu ihrer Verwandtschaft. Eugen ist ein wahrhaft polyphones Geschöpf – auch wenn er der deutschen Sprache ein Leben lang nicht mächtig sein wird.
Regellos und verwahrlost, so wird berichtet, soll er aufgewachsen sein, mit seiner Kleinwüchsigkeit und seinem dunklen Teint eine bizarr-befremdliche Erscheinung, ein hässlicher Gnom, in frühen Jahren schon eingebunden in die Zwänge und Optionen sexueller Libertinage, wie sie das höfische Leben des französischen Absolutismus eben kennzeichneten und bestimmten. Krieger will der für ein geistliches Leben Bestimmte werden, und Krieger ist er, nach der Zurückweisung durch den Sonnenkönig, der ihm kein Kommando über ein Regiment geben wollte, auch geworden – in Diensten des Hauses Habsburg, 39 Jahre lang: gegen die Türken in Ungarn und am Balkan, gegen die Bourbonen in Frankreich, Italien, den Niederlanden, in 17 Feldzügen auf acht europäischen Kriegsschauplätzen, bis hin zur Einnahme Belgrads 1717 – ein letzter, furioser Sieg. Prinz Eugen ist der herausragende Stratege seiner Zeit, ausgestattet mit Instinkt und Intuition; seine Entscheidungen in schwieriger, bedrängter Lage sind ebenso kühn wie erfolgreich, seine Märsche erstaunlich. Doch versteht er, der die Gewissheit des Kriegs den Unwägbarkeiten eines instabilen Friedens vorzieht, die Kriegsführung vornehmlich als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Von vielen, vielleicht der Mehrzahl seiner kriegerischen Aktionen könne, so Hofmannsthal, nur schwerlich gesagt werden, ob es sich um Kunstwerke der Strategie oder der hohen Politik handle. Bei Höchstädt sichert er 1704 Bayern und die deutschen Lande, bei Turin gewinnt er 1706 das obere Italien, bei Oudenaarde und Malplaquet 1708/09 die Niederlande, mit den Territorialzuwächsen (Banat, Nordserbien, Walachei) im Frieden von Passarowitz 1718 erreicht die Monarchia Austriaca ihre größte Ausdehnung.
Stets ist der „Edle Ritter“ selbst Teil des Schlachtenszenarios, kämpft, einem Berserker gleich, an exponierter Stelle, wird vielfach verwundet. Er weiß dies als Bauherr, Mäzen und Sammler, als feinsinniger Ästhet, der mit den Geistesgrößen seiner Zeit (Leibniz, Montesquieu) in engem Kontakt steht, durchaus zu sublimieren. Sein Sommerschloss Belvedere am Rennweg (Lucas von Hildebrandt), sein Winterpalais in der Himmelpfortgasse (Fischer von Erlach), die Schlösser im Marchfeld und in Ráckeve bei Budapest sind exzeptionelle barocke Gesamtkunstwerke, seine Bücher-, Karten- und Portraitsammlungen erlesen und selbst heute noch relevant. Mehr und mehr wird der Savoyer zur Symbol- und Galionsfigur eines gegenreformatorischen, spezifisch „österreichischen“ Barock, in dem Herrschaft (und deren Legitimation), Glaube und Religion, Wissenschaft, Kunst und Ästhetik zu einem Ganzen verschmelzen.
Mit 25 Jahren war Prinz Eugen Feldmarschallleutnant, mit 27 General der Kavallerie, als 30-Jähriger kaiserlicher Feldmarschall; 1703 wird er Präsident des Hofkriegsrats, danach Generalgouverneur der Lombardei, des Herzogtums Mailand, der Österreichischen Niederlande und wächst so in die Rolle eines „heimlichen Kaisers“ hinein. Er weiß diese Machtfülle auch entsprechend abzusichern, betreibt – ein Jahrhundert vor Metternich – überaus modern anmutende politische Spionage, baut einen europaweit agierenden Geheimdienst auf; seine diesbezüglichen Aufträge erteilt er als „heros di testa nera“ (der schwarzhaarige Held) oder als „le Noireau“ (der Dunkelhäutige). Die letzten Lebensjahre des Feldherrn, Strategen, Diplomaten in Diensten dreier Kaiser (Leopold I., Joseph I., Karl VI.) sind allerdings von zunehmendem geistigen wie körperlichen Verfall gekennzeichnet. Prinz Eugen ist, wie Friedrich der Große resümiert, für seinen Ruhm zu spät gestorben.
– Wolfgang Maderthaner –
Prinz Eugen berichtet über die Schlacht bei Zenta
Dokument 21
Von Prinz Eugen unterzeichneter Bericht an den Kaiser über die kriegsentscheidenden Operationen vom 9. – 5. September 1697. 15. September 1697, Feldlager zwischen Zenta und Klein-Kanizsa.
Dokument 21
AT-OeStA/KA FA AFA HR Akten 207 (Türkenkriege 15.09.1697)
Prinz Eugen berichtet über die Schlacht bei Zenta
Dokument 21
Allerdurchlauchtigster etc. etc.!
Allergnädigster Kaiser und Herr, Herr etc. etc.!
Zufolge meiner letzteren allerunterthänigsten Relation vom 7. und 8. hujus habe Euer kais. Majestät allergehorsamst hinterbracht, welchergestalten den 9. dito wiederum marschiren wollen. In selbiger Nacht also, habe ich sowohl von meinen Parteien, als von ungarischen und rätzischen Huszaren Kundschaft gehabt, dass der Feind nicht allein an den Szireger, sondern auch weiter bis an den Thomaser Morast marschirt sei; und solchemnach bin ich gedachten 9. dieses mit anbrechendem Tag aufgebrochen und habe zuvor die Disposition gemacht, dass für 11 Tag eines Vorraths an Proviant mich versichern könne, dann dieses gewiss Alles ist, was ich damals habe erzeugen mögen; mithin auch genug·wäre, wann schon der Feind vor mir zu Szegedin hätte anlangen können, und zwar um so viel mehr, da anbei zu Baja 800 Wagen schon in Bereitschaft gestanden, auf die erste Ordre mit Brod, Mehl und Zwieback alsogleich nachzufolgen, sobald die Strassen von des Feindes Excursion sicher gewesen seyn würdten.
Am vorersagten 9. hujus bin ich also an dem Szireger Morast wiederum campirt, und habe diesen auch mit der ganzen Armee passirt, da er fast allenthalben ausgetrocknet war, und wo der Feind auch die Brücken hat stehen lassen; nachgehends aber und weil ich nicht gezweifelt (wie es geschehen), dass der Feind die anderen Brücken zu St. Thomas abgebrannt haben werde, und ich hingegen wegen Tiefe des Wassers daselbst ohne Brücken mit der Infanterie, Artillerie und Bagage unmöglich passiren könnte, so bin ich mit der ganzen Cavallerie und mehr als hundert Wägen an Brücken-Requisiten noch selbigen Tag bis dahin nach St. Thomas vorausrmarschirt und dort auch zwei oder drei Stunden vor Nachts angelangt; sodann habe sogleich an zwei Brücken, als nämlich eine für die Infanterie, die andere für die Artillerie und Bagage arbeiten lassen, welche mitsammt dem Tag sind verfertigt gewesen; ich aber habe dort bei dem Morast mit der Cavallerie so lange angehalten, bis die Avantgarde der Infanterie angelangt, und nachgehends marschirte ich mit der gesammten Armee bis an das Provianthaus von Becse.
Alle Kundschaften bis dorthin haben mir raportiert, dass der Feind gerade nach Szegedin gehe, und habe Tartaren, Rebellen und Türken in etlich Tausende stark in das Land geschickt, selbiges zu plündern und zu verbrennen;·zuvor aber, ehe ich von Zenta nach Peterwardein marschirt bin, habe ich den Marsiglischen Obristwachtmeister Baron Glowitz dahin nach Szegedin geschickt mit 200 Pferden über die 4. Compagnien vom ersagten Regimente und den 17 von der Armee eben dahin gesandten Commandirten zu Fuss, welche sich bereits dort befinden, und habe ihm befohlen, dass er überall Geld suchen und nehmen, sodann die dahiesige Arbeit so stark als immer möglich fortsetzen, mithin wenigstens die Palanka und das Provianthaus in einem solchen Stand setzen solle, damit sie gleichwohl von den feindlichen Excursionen nicht überrumpelt und in Asche gelegt werden möchten: Den 10. darauf habe ich Kriegsrath gehalten und dabei die Generalität informirt von allen habenden Kundschaften, wie auch von dem Stand, worin ich mit der Armee stehe, wie auch sammt dem Proviant; sodann begehrte ich ihre Parere, welche demnach unanimiter votirt, folglich auch ich beschlossen habe, dass ohne Zeitverlust der Marsch gegen den Feind zu prosequiren sei, dieweil es nicht mehr zu zweifeln, dass er directe nach Szegedin zu gehen Willens und welches aber nicht capabel war, sich länger als einen Tag zu wehren. Ueberdies bin ich bei der Nacht von dem Capitän aus Zenta, Tököly genannt, berichtet worden, dass der Feind diesen Tag noch um Mittagszeit allda gestanden und habe viel von der Cavallerie in das Land hineingeschickt, dassellbige vorgedachtermassen zu plündern und zu verbrennen; hierin aber und sonderlich wo der Feind eigentlich stehe, mehrere Gewissheit zu haben, habe ich zwei Lieutenants einen jeden mit 30 Pferden sammt 5 Corneten und so viele Fouriers alsogleich auf Partei geschickt. Dem 11. aber brach ich auf vor Tags und marschirte mit der Armee in 12 Colonnen, benanntlich sechs, von der Cavallerie und so viel von der Infanterie; die Artillerie, welche bei den Bataillonen und Dragoner-Escadronen nicht ausgetheilt worden, gehete in der Mitten, und nachgehends hinter der Armee folgte die gesammte reit- und fahrende Bagage unter Bedeckung von etlich hundert Pferden und diese hatten Ordre, nichts zurückzulassen; solchergestalten aber wurde der Zug continuirt bis gegen 9 Uhr in der Früh, wo inzwischen etliche Fouriers von den beiden Lieutenants zurückgeschickt worden, mit dem Rapport, dass sie allda bei Zenta die feindliche Wache angetroffen, die Feuer gegeben und auch wirklich engagirt gewesen. Daher habe ich die Huszaren alsogleich nachgeschickt, diese beiden Parteien zu souteniren, wie auch wiederum zu degagiren und darauf haben sie einen Bassen gefangen, welchen der Feind gleichermassen auf Partei geschickt, um von mir Kundschaft zu bringen; nachgehends sind auch die zwei Parteien ohne Verlust einzigen Manns zurückgekommen; den Bassa aber liess ich gleich unter dem Marsch examiniren, mit der Drohung, auf der Stelle geköpft zu werden, wenn er die Wahrheit nicht sagte. Dieser nun bestätigte endlich, dass der Sultan zwar Willens gewesen, gerade nach Szegedin zu gehen, um zu versuchen, ob er es in der Eil oder en passant erobern könne, da ihn der Tököly und alle Kuruzen persuadirt haben, er könnte es importiren, ehe ich mit der Armee nachkommen könnte, dieweil schier keine einzige Fortification um den Ort wäre. Als er aber meinen Nachzug von Peterwardein und auch dass die Garnison darin ziemlich stark sei, vernommen, so habe er zu Zenta angehalten, und seine Brücken allda über die Theiss schlagen lassen, welche er auf Wägen nachgeführt und ein Franzose inventirt, solche auch diesen verwichenen Winter in Belgrad hat arbeiten lassen, und ist diese Invention sehr schön, auch gar gut und tauglich. Nunmehr aber hätte der Sultan gegen Ober-Ungarn und Siebenbürgen marschiren wollen, und war daher schon für seine Person mit etlichen tausend Pferden die Theiss passirt, auch hätte die schwere Artillerie und grosse Bagage die vergangene Nacht, als er, Bassa, wegcommandirt worden, zu passiren angefangen. Der Ueberrest aber von der Armee mit mehr als 100 Stücken stand noch auf dieser Seite; er könne aber für gewiss nicht sagen, ob auch diese passiren würden, oder nicht. Unterdessen aber wären sie schon vertranchirt, und hätten auch angefangen, noch ein kleineres Tranchement vor der Brücke zu machen, wie nicht weniger, dass die Tataren, Kuruzen und einige Anzahl Türken überall brennen, aber seinem Vorgeben nach, ohne vom Sultan habende Befehle (so ich jedoch schwerlich glauben kann). Hiernächst aber gehe ich einen Schritt zurück, und wende mich wieder zu dem posto Szegedin. Dieser ist ein Ort ohne Fortification, und zeither sonderlich die Palanka und das Provianthaus ganz offen gestanden, woran ich aber diesen Feldzug über, so viel als möglich gewesen mit gratuitis laboribus, und ohne Geld habe arbeiten, und ein Gleiches auch an dem Schloss habe vorkehren lassen, an welchem ein Theil von der Mauer schon vor etlichen Jahren eingefallen war, und könnte darauf kein Stück stehen, weil sie terreplanirt worden, ja mit einem Wort, es ist ein Platz, welcher kaum 24 Stunden sich halten mag; um so viel mehr aber habe ich getrachtet, so gut gekonnt, diesen Ort gleichwohl zu schliessen und vor den feindlichen Excursionen in etwas sicher zu stellen, als unser ganzer Proviant, so an der Theiss ist, wie auch viele schwere Stücke und Munition, solche noch von der vorjährigen Belagerung Temesvár‘s dahin sind gebracht worden, darinnen waren. Anmit aber muss ich Euer kais. Majestät allerunterthänigst remonstriren und versichern, so lang nicht die Grenzplätze in besseren Defensionsstand gesetzt sein werden, dass es solchergestalten unmöglich sei, mit der Armee überall hinlaufen zu können, hingegen in der Nachfolge zu besorgen und unausbleiblich sei, dass der Feind allzeit nach seinem Belieben ein oder den andern überrumpeln könne, und dieses ist also, was Euer kais. Majestät hievon allergehorsamst beizurücken der Noth ermessen habe. Jetzt aber schreite ich wiederum zu meiner vorigen Erzählung, und solchemnach über die eben zuvor beschriebenermassen eingezogene Kundschaft prosequirte ich in gedachter Ordnung den Marsch; sodann wurde mir alle Augenblick sowohl durch Huszaren, als die Vorauslaufer Bericht gegeben, dass der Feind sich stark hinüberziehe, auch, dass ihre Cavallerie der Gewohnheit nach zum Scharmutzieren über die Tranchements nicht herausgehe, weniger dass sie einige Zelte oder Lager sähen; und ein Paar Stunden hierauf vernahm ich wiederum durch andere Gefangene, dass der meiste Theil von ihrer Cavallerie schon hinüber sei, mithin auch noch immerfort passirten; meinerseits aber, und auch von Seiten der Generalität hat man nicht glauben können, dass die Infanterie diesseits allein sollte geblieben sein, förderst, da sie die vergangene Nacht erst angefangen, das andere Tranchement zu machen, wie der Bassa und die Gefangenen ausgesagt haben. Ich daher bin mit der Cavallerie und etwas Artillerie vorausmarschirt, bis eine Stunde herwärts Zenta, allwo die vorigen Kundschaften immer bestätigter einlaufen, allda aber erwartete ich die Infanterie und stellte darauf die Armee in Battaglia; nämlich den rechten Flügel geschlossener an die Theiss, den linken aber soweit in das flache Feld, als der Truppen Länge es zugelassen hat, und die linke Flanke versah ich mit einer doppelten Linie. Da nun alles dieses vorbeigewesen, und die Armee solchergestalt formirt werden konnte, ist es nicht mehr als ungefähr vierthalb Stunden vor Nacht gewesen, und darauf setzte ich den Marsch fort in Battaglia, und da ich nachgehends in die Nähe von Zenta gelangt, hat man nur ein Paar Tausend Pferd von dem Feind vor sich gesehen und hatte ich wieder Bericht durch die Vorauslaufer, dass sie des Feindes Brücke, und dass er stets fortpassirte, darauf aber (zu verstehen auf der Brücke) eine grosse Confusion wäre, gesehen haben, und also habe ich von einem jeden Flügel der Flanken, aus dem andern Treffen drei Regimenter Dragoner und Pferd, wie auch etwas Artillerie, vorgenommen, zumal der berührten Kundschaften nach, der Feind sich stark mit Confusion über die Brücke zog und ich also gehofft habe, ihm solchergestalten in die Retroguarde einfallen zu können, und welches auch mit desto weniger Gefahr thun konnte, als ich von der ganzen Armee soutenirt gewesen, gleichwie Ordre zurückgelassen, dass sie alle Zeit in Battaglia folgen soll.Die feindliche Cavallerie, welche vorgedachtermassen vor sich gesehen worden, retirirte sich immer mehr, und sah man auch nachgehends die Confosion auf der Brücke, unangesehen noch viel Bagage diesseits war; und da ich aber einen Stückschuss vor des Feindes Tranchement gekommen bin, hat er angefangen zu kanoniren, und ich liess ihm sogleich auch antworten, nicht weniger die Armee in ihrer Ordnung alsobald avanciren; sodann befahl ich, dass die zuvor bemerkten 6 Regimenter zu Pferd, ohne Confusion sich wiederum sollten in ihren Platz stellen, sobald die Armee angelangt sein wird, gleichwie es auch geschehen ist; und in dieser Ordnung bin ich hernach weiters mit der ganzen Armee einen halben Stückschuss von des Feindes Retranchement angerückt; an dem Tag aber war nicht mehr übrig als ein Paar Stunden.Den linken Flügel schloss ich mit etlichen Regimentern von der linken Flanke an das Wasser, und da sah man, dass der Feind mit seiner Cavallerie längs des Wassers auf gedachten linken Flügel fallen wollen; gleichwie er aber auf solche Weise völlig·eingeschlossen gewesen, also habe ich etliche Stück pflanzen lassen, welche auf seine Brücke continuirlich geschossen haben, und auf dem rechten Flügel habe ich gleiche Anstalten gemacht; nachgehends aber liess ich von allen Seiten auf einmal angreifen, zuvor jedoch, und weil man, wie obgemeldet, von dem linken Flügel wahrgenommen, dass der Feind mit seiner Cavallerie dahin fallen wollen, allwo zwischen dem Gestade und dem abgelaufenen Wasser ein Spatium von beiläufig 40 bis 50 .Schritten gewesen ist, und woher man von uns ihm in den Rücken hat sehen können, so liess ich so geschwind, als es immer möglich war, Stücke dahin postiren, wie auch die Infanterie von der linken Flanke und vom linken Flügel etwas weniges vorattaquiren, ehe das Corpo di Battaglia und die Infanterie von dem rechten Flügel angegriffen hat, und reussirte dieses, ungeachtet der Feind mit Stücken, Kartätschen und kleinen Gewehren ein erschreckliches Feuer machte; ja es ist gleichwohl erdachte Infanterie vom linken Flügel durchgebrochen und nachgehends auch die gesammte Armee von Cavallerie und Infanterie darauf gefallen, da der Feind schon wegen derjenigen, so ihm in den Rücken gestossen, etwas weniges in Confusion gerathen ist. Das Retranchement (wessen zwei unter einander und über diese noch eine Wagenburg gewesen) war so fest und hoch, dass ich es nicht begreife, wie die Infanterie hat passieren können. Die Cavallerie auch ist mit der Infanterie zugleich bis an den Graben des Tranchements avancirt, und hat alldort des Feindes Feuer ausgehalten, auch mit chargirt, gleichwie die Infanterie, welches ich Zeit meines Lebens noch niemals gesehen habe; alsdann und wie man erwähntermassen durch den linken Flügel Luft bekommen, so ist mit gesammter Gewalt Alles hineingedrungen, und da war es nicht mehr möglich den Soldaten zu halten; die Cavallerie darnach wurde obligirt, abzusteigen und sich mit der Hand eine Passage zu machen, wornach sie an etliche Orten den Graben über die Todten, welche schon von dem Feind geblieben, passirt hat. Die Bataillons vom linken Flügel und der linken Flanke haben dem Feind die Passage über die Brücke abgeschnitten, und wurde darüber ein gräuliches Blutbad, sowohl in dem Tranchement als auf der Brücke und in dem Wasser, wohinein der Feind sich geworfen und geglaubt hat, durchzukommen. Der Soldat ist so ergrimmt gewesen, dass er fast keinem Quartier gegeben, obschon Bassen und Officiere sich gefunden, welche viel Geld versprochen haben, und befinden sich daher gar wenig Gefangene, welche auch erst nach und nach unter den Todten und Brückenschiffen herausgezogen worden, und durch diese Hand hat man erfahren, dass gewiss die ganze feindliche Infanterie herüben gewesen sei, darüben aber nichts mehr, als ein paar Tausend Mann für des Sultans Wacht; ist daher um so viel glaublicher, dass diese Niederlage von vielen Tausenden sein müsse, da nicht über 2000 hinüber gekommen sind. Diese victoriose Action bat sich geendet, mit Scheidung Tag und Nachts, und hat sogar die Sonne selbst von dem Tage nicht ehender weichen wollen, bis sie mit ihrem glänzenden Auge den völligen Triumph Euer kais. Majestät glorwürdigsten Waffen hat vollständiglich mit anschauen können. Allergnädigster Herr, den tapfern Heldengeist Dero gesammten Generals-Personen, Officiere und gemeinen Soldaten kann meine schwache Feder nicht genugsam entwerfen, weniger sattsam loben und preisen, und geruhen Euer kais. Majestät diese meine schuldige Contestation nicht für das gewöhnliche Compliment Allergnädigst aufzunehmen, welches man pflegt bei allen glücklichen Actionen den Armeen zuzneignen; sondern ich muss es mit wahrer Gerechtigkeit bekennen, und dieses zum unsterblichen Nachruhm Dero unvergleichlichen Armata, als ihr geringes Haupt attestiren; infolglich meritirt dieselbe ganz billig, dass Euer kais. Majestät Dero Allergnädigste Reflexion gegen sie trage, und ihr sowohl mit der schon so vorlängst versprochenen Geld-Rimessa beispringen, als auch die Generals und Officiere Dero fernere kaiserlichen Hulden und Gnaden Allergnädigst geniessen lasse, sodann selbige mit der weiteren Promotion desto willfähriger anjetzt consoliren wolle, als nunmehr die Conjunctur gewesen ist, mittelst welcher sie sich noch mehr verdient, und mithin auch dieser kaiserlichen Gnade um so viel würdiger gemacht haben; es sind zwar etliche, die Gelegenheit gehabt, vor andern sich zu distinguiren; nicht ein einziger aber ist insgesammt, welcher (soviel ich weiss) nicht mehr als seine Schuldigkeit gethan habe, wobei dann auch der Alliirten sowohl königlich polnischen und chursächsischen, als churbrandenburgischen Truppen sämmtliche Generals, Officiers und Gemeine sich ebenfalls sehr tapfer·gehalten, und besonders signalirt haben. Zwei Stunden in der Nacht liess ich darnach alle Truppen aus dem Retranchement wiederum retiriren und selbige die Nacht über verbleiben, so gut ich gekonnt, und habe ich so viel zu Wege gebracht, dass sie, so viel als sie können, längs der Theiss gesetzt habe; gänzlich unmöglich aber war es, den Soldaten noch diese Nacht bei seiner Standarte und Fahnen versammeln zu können. Die feindliche Brücke liess ich auch alsogleich verwahren und jenseits eine Wacht stellen, sodann befinde man, dass auch drüben von dem Feind sowohl durch unsere Stück als kleines Geschoss sehr viel geblieben sind. Den andern Tag aber, als den 12. habe ich sogleich für die Armee das Lager ausstecken lassen, und zeigt sich die gestrige Action weit considerabler, als geglaubt habe, sowohl an Quantität der Todten, als Ueberkommung grosser Anzahl an Stücken, Bomben, Carcassen, Granaten und andere Munition, auch Proviant, vieler·Wägen, auch Gross- und Kleinvieh wie nicht weniger, dass eine halbe Stunde jenseits des Wassers man das ganze feindliche Lager gesehen, welches er im Stich gelassen hat, und durch die Ueberläufer confirmirt worden ist, dass der Gross-Sultan noch gestrige Nacht, nach der Action mit ungemein grosser Consternation sich gegen Temesvár retirirt habe, und auch seine Cavallerie geflohen war, als ob sie ebenfalls wäre geschlagen worden, in der Furcht, dass Euer kais. Majestät Armee auf ihrer Brücke sogleich passiren und sie von Temesvár abschneiden würde. In dem Lager sind alle Zelt, und darunter eines des Sultans selbst, sammt Kameelen, anderm Vieh, schwerer Artillerie, Bomben, Carcassen und anderer Munition, wie auch Proviant eine unbeschreibliche Quantität und in Allem sowohl dies- als jenseits wenigstens auf die 6000 Wägen gefunden worden; sodann liess ich von allen Regimentern Commandirte hinübergehen, die verdiente Beute zu machen. Gleichwie es aber ordinari zu geschehen pflegt, also ist sowohl noch in der Nacht dies-, als den Tag darauf jenseits das Feuer in die Munition kommen, und hievon ein guter Theil wie auch von dem Proviant und andern Sachen in den Rauch aufgegangen; und ob ich zwar zur Verhütung dessen alle Praecautiones getragen, so ist aber alle Rettung umsonst gewesen.
Eine unbeschreibliche Anzahl Fahnen, Rossschweife, Pauken und grosser Trommel hat man bekommen, und auch viele andere, so unwissend sind durch das Feuer und Wasser, wie nicht weniger unter den Todten, so an etlichen Orten wenigstens 2 Mann hoch liegen, verloren gegangen. An überkommenen Stücken aber, und von Euer kais. Majestät Armee Blessirten und Todten geruhen Sie das Mehrere aus beiliegenden Specificationen Allergnädigst zu ersehen. Sonst aber zweifle ich nicht, dass in einem und andern Euer kais. Majestät der von mir alsogleich vorausgeschickte Prinz Vaudémont die vorläufig allerunterthänigste Relation mündlich schon abgestattet haben wird, sodann in dem Uebrigen können Sich Euer kais. Majestät Allergnädigst versichern, dass wie länger man nachsucht, je remarquabler wird diese Action, und gehen die Soldaten, sonderlich bei der Brücke, auf den todten Körpern fast wie auf einer Insel, ja es wird je mehr bestätigt, dass von des Feindes gesammter Infanterie gar wenig und nicht über 2000 Mann (wie oben gemeldet) davon gekommen sind. Ich habe auch durch einen siebenbürgischen Commissarium, welcher mit dem General Rabutin herausgekommen, des Gross-Sultan Petschaft erhalten, welches das Allerrarste, und diesen ganzen Krieg über bei allen Victorien noch niemals bekommen worden ist, folglich um so viel mehr glauben macht, dass der Gross-Vezier selbst geblieben sei, gleichwie es die Gefangenen und Ueberläufer ausgesagt haben, indem er verpflichtet war, es allenthalben an seinem Hals zu tragen, und ich werde mir auch die Ehre geben, wann ich wiederum das Glück habe, vor Euer kais. Majestät Thron zu erscheinen, in aller Unterthänigkeit es persönlich überreichen. Unter den Fahnen befinden sich die allervornehmsten von der ganzen feindlichen Armee, und unter diesen auch diejenige von den Janitscharen, auch soll ihr Aga selbst geblieben sein. Nunmehr jagen die Huszaren und andere von Euer kais. Majestät Armee dem Feind noch nach, und machen fort und fort vier bis fünf Meilen Weges von hier, grosse Beute; auch bekommen sie noch weiters einige Gefangene und finden unterwegs noch immer mehr Todte auch schwere Stück, und ich habe wiederum den Obristen Glöckelsberg mit 600 Pferden commandirt, dem Feind eben nachzusetzen, und zu sehen, was er noch ferners von Beute, an Artillerie und sonsten an andern Sachen, wie auch an Gefangenen bekommen möge. Durch Dero Dragoner-Obristen Grafen von Dietrichstein überschicke ich aber unterdessen mit dieser meiner allerunterthänigsten Relation die befindlichen Fahnen und Rossschweife, wird auch des mehreren mündlich allergehorsamst referiren, wie die Sachen noch der Zeit stehen. In dem Uebrigen stelle ich ausser Zweifel, dass der Ueberrest des Feindes Armee in wenig Tagen völlig auseinander sein werde, und solchergestalten ist zu bedauern, dass in solchen Conjuncturen nicht Alles in Bereitschaft stehe, und nun auch die Saison schon so weit avancirt ist, für heuer noch wenigstens die Palanka von Temesvár nehmen, und die Magazins verbrennen zu können, auch wenn schon die Zeit nicht zulassete, das Schloss selbst zu attaquiren, es jedoch zu bombardiren, und folgend müsste auf künftiges Frühjahr in etlichen wenigen Tagen völlig übergehen; gleichwohl aber will ich mit Dero Commissariat und Artillerie dieses Werk noch mehr examiniren, und Euer kais. Majestät mit Kurzem wiederum darüber allergehorsamst zu rapportiren; sollte es aber nicht möglich sein, wie ich fürchte, diese Impresa für heuer noch vorzunehmen, so muss und will ich an einen Ort mich setzen, allwo die Armee auf das möglichste könne conservirt werden und Euer kais. Majestät auch wohl geruhen, wegen der Quartier so schleunig als möglich die Dispositiones machen zu lassen, mithin ingleichen auf das künftige Jahr gedenken, folglich dahin disponiren, Belgrad zu belagern, massen keine bessere Conjunctur sein kann, da es fast unmöglich ist, dass der Feind seine verlorne Infanterie werde ersetzen können.
Deswegen aber werden Euer kais. Majestät Allergnädigst erkennen, wie vonnöthen es sei, Dero Armee zu conserviren, sodann zeitlich in die Quartiere zu ziehen und solchergestalten gleich wiederum zu einem frühen Feldzug auszurüsten. Ich aber thue hiebei neben Euer kais. Majestät allerunterthänigst belangen, mich alsogleich wissen zu lassen, wie viele und welche Regimenter zu Pferde ich wiederum nach Siebenbürgen schicken solle, gestalten keine Zeit zu verlieren ist, alle diese Dispositiones ohne Anstand zu verfügen und ich immittelst will auch sehen, diese Grenzen wieder in den Stand zu setzen, auch überlegen, wie die Postirung einzurichten, und was dazu für Commandirte vonnöthen sein werden, und nachgehends ermangle ich nicht, von Allem Euer kais. Majestät allerunterthänigst zu benachrichtigen. Zum Beschlusse, und nachdem ich in die 5 und 6 Posttage ohne Schreiben gewesen, da wegen des Feindes Excursionen die Posten und Couriers nicht sicher laufen können, mithin zu Szegedin sind angehalten worden, so empfange ich den 13. dieses durch die zurückgekommenen und sonst von Euer kais. Majestät an mich abgeschickten Expressen Dero Allergnädigste beide Rescripta vom 28. passato und 5. dito, welche aber, gleichwie seither der status rerum ein anderes Aussehen bekommen, also auch mit dieser meiner Relation zur Genüge beantwortet sind; nur werden Sie mir gnädigst erlauben, meine große Consolation bezeugen zu können, da Euer kais. Majestät nicht allein alle meine seither gemachten Anstalten Allergnädigst approbiren, sondern auch dasjenige mir befehlen wollen, welches ich schon vollbracht, ehe gedachte Dero Allergnädigste Schreiben behändigt habe, und empfehle mich darneben zu Dero noch ferners beharrlichen kaiserlichen Hulden und Gnaden und ersterbe
Euer kaiserlichen Majestät
allerunterthänigster allergehorsamster
Eugenio von Savoy m. p
Prinz Eugen - Der edle Ritter
Dokument 21
1915. Hugo von Hofmannsthal verfasste eine Propagandaschrift zur Verherrlichung der Taten Prinz Eugens; ein Beitrag zu den Kriegsanstrengungen der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg. Die Illustrationen der als Kinderbuch konzipierten Schrift stammen von Franz Wacik.