Le noireau

Dokument 21

Habsburgs erfolgreichster Heerführer des 18. Jahrhunderts: Körpergröße indirekt proportional zu seiner historischen Bedeutung, Kunstsammler, Bauherr, Mäzen, als „Edler Ritter“ besungener Volksheld: Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736).

Ein halbes Jahrhundert beinahe steht Kaiser Leopold I. (1657–1705) in einem existenziellen Zweifrontenkrieg gegen das bourbonische wie das osmanische Reich. Die „Errettung der Christenheit“ vor Wien 1683 ist ein singulärer Triumph, Vollendung und Apotheose gewissermaßen der habsburgischen Gegenreformation. Sukzessive werden nunmehr die osmanischen Verbände entlang der Donau zurückgedrängt, die kriegsentscheidende Schlacht findet am 11. September 1697 bei Zenta an der Theiß statt und endet mit einer vernichtenden Niederlage des türkischen Aufgebots. In der Folge unternimmt ein kaiserliches Expeditionskorps einen Einfall nach Bosnien, der hohe Symbolkraft hat und der im Wesentlichen den fortgeschrittenen Grad der Verwundbarkeit des Osmanischen Reiches demonstrieren sollte: Ende Oktober wird das von den Türken bereits geräumte Sarajewo mit seinen 120 Moscheen eingeäschert. Der Friede von Karlowitz 1699 markiert dann den Aufstieg des Habsburgerreiches zu einer auf den Balkan hin orientierten zentraleuropäischen Großmacht – eine Orientierung, die es 200 Jahre später schließlich in den Untergang führen wird.

Zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Ungarn-Armee war der 1697 erst 34 Jahre alte Prinz Eugen von Savoyen ernannt worden, der später zu einer legendenumwobenen, mythologisierten, in der historischen Retrospektive häufig ins Unantastbare – und damit Unfassliche – entrückten Heroengestalt werden sollte. Mit dazu bei trugen Literaten vom Range eines Ferdinand Freiligrath, eines Franz Grillparzer, einer Ricarda Huch und, dies vor allem, eines Hugo von Hofmannsthal. Letzterer etwa erkennt im zweiten Jahr des Großen Kriegs (1915) in Eugen jenen „Fremde[n]“, der „nach Gottes sichtbarem Willen den Namen des größten Österreichers“ führt. Und ein Fremder ist Franz Eugen von Savoyen, Fürst von Piemont, Markgraf von Saluzzo, der aus der Nebenlinie Carignan des savoyischen Herrscherhauses stammt, allemal gewesen. Oder vielmehr: ein paradigmatischer Europäer. Romanische, deutsche, byzantinische, armenische Elemente laufen in der väterlichen Linie zusammen, die Mutter Olympia Mancini, eine Nichte des Kardinals Mazarin und zeitweilige Favoritin Ludwigs XIV., zählt den römischen und süditalienischen Hochadel zu ihrer Verwandtschaft. Eugen ist ein wahrhaft polyphones Geschöpf – auch wenn er der deutschen Sprache ein Leben lang nicht mächtig sein wird.

Regellos und verwahrlost, so wird berichtet, soll er aufgewachsen sein, mit seiner Kleinwüchsigkeit und seinem dunklen Teint eine bizarr-befremdliche Erscheinung, ein hässlicher Gnom, in frühen Jahren schon eingebunden in die Zwänge und Optionen sexueller Libertinage, wie sie das höfische Leben des französischen Absolutismus eben kennzeichneten und bestimmten. Krieger will der für ein geistliches Leben Bestimmte werden, und Krieger ist er, nach der Zurückweisung durch den Sonnenkönig, der ihm kein Kommando über ein Regiment geben wollte, auch geworden – in Diensten des Hauses Habsburg, 39 Jahre lang: gegen die Türken in Ungarn und am Balkan, gegen die Bourbonen in Frankreich, Italien, den Niederlanden, in 17 Feldzügen auf acht europäischen Kriegsschauplätzen, bis hin zur Einnahme Belgrads 1717 – ein letzter, furioser Sieg. Prinz Eugen ist der herausragende Stratege seiner Zeit, ausgestattet mit Instinkt und Intuition; seine Entscheidungen in schwieriger, bedrängter Lage sind ebenso kühn wie erfolgreich, seine Märsche erstaunlich. Doch versteht er, der die Gewissheit des Kriegs den Unwägbarkeiten eines instabilen Friedens vorzieht, die Kriegsführung vornehmlich als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Von vielen, vielleicht der Mehrzahl seiner kriegerischen Aktionen könne, so Hofmannsthal, nur schwerlich gesagt werden, ob es sich um Kunstwerke der Strategie oder der hohen Politik handle. Bei Höchstädt sichert er 1704 Bayern und die deutschen Lande, bei Turin gewinnt er 1706 das obere Italien, bei Oudenaarde und Malplaquet 1708/09 die Niederlande, mit den Territorialzuwächsen (Banat, Nordserbien, Walachei) im Frieden von Passarowitz 1718 erreicht die Monarchia Austriaca ihre größte Ausdehnung.

Stets ist der „Edle Ritter“ selbst Teil des Schlachtenszenarios, kämpft, einem Berserker gleich, an exponierter Stelle, wird vielfach verwundet. Er weiß dies als Bauherr, Mäzen und Sammler, als feinsinniger Ästhet, der mit den Geistesgrößen seiner Zeit (Leibniz, Montesquieu) in engem Kontakt steht, durchaus zu sublimieren. Sein Sommerschloss Belvedere am Rennweg (Lucas von Hildebrandt), sein Winterpalais in der Himmelpfortgasse (Fischer von Erlach), die Schlösser im Marchfeld und in Ráckeve bei Budapest sind exzeptionelle barocke Gesamtkunstwerke, seine Bücher-, Karten- und Portraitsammlungen erlesen und selbst heute noch relevant. Mehr und mehr wird der Savoyer zur Symbol- und Galionsfigur eines gegenreformatorischen, spezifisch „österreichischen“ Barock, in dem Herrschaft (und deren Legitimation), Glaube und Religion, Wissenschaft, Kunst und Ästhetik zu einem Ganzen verschmelzen.

Mit 25 Jahren war Prinz Eugen Feldmarschallleutnant, mit 27 General der Kavallerie, als 30-Jähriger kaiserlicher Feldmarschall; 1703 wird er Präsident des Hofkriegsrats, danach Generalgouverneur der Lombardei, des Herzogtums Mailand, der Österreichischen Niederlande und wächst so in die Rolle eines „heimlichen Kaisers“ hinein. Er weiß diese Machtfülle auch entsprechend abzusichern, betreibt – ein Jahrhundert vor Metternich – überaus modern anmutende politische Spionage, baut einen europaweit agierenden Geheimdienst auf; seine diesbezüglichen Aufträge erteilt er als „heros di testa nera“ (der schwarzhaarige Held) oder als „le Noireau“ (der Dunkelhäutige). Die letzten Lebensjahre des Feldherrn, Strategen, Diplomaten in Diensten dreier Kaiser (Leopold I., Joseph I., Karl VI.) sind allerdings von zunehmendem geistigen wie körperlichen Verfall gekennzeichnet. Prinz Eugen ist, wie Friedrich der Große resümiert, für seinen Ruhm zu spät gestorben.

– Wolfgang Maderthaner –

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Prinz Eugen berichtet über die Schlacht bei Zenta

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Von Prinz Eugen unterzeichneter Bericht an den Kaiser über die kriegsentscheidenden Operationen vom 9. – 5. September 1697. 15. September 1697, Feldlager zwischen Zenta und Klein-Kanizsa.

Prinz Eugen - Der edle Ritter

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1915. Hugo von Hofmannsthal verfasste eine Propagandaschrift zur Verherrlichung der Taten Prinz Eugens; ein Beitrag zu den Kriegsanstrengungen der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg. Die Illustrationen der als Kinderbuch konzipierten Schrift stammen von Franz Wacik.