Gebrauchsanweisung für die corte di Roma

Dokument 23

Ein „Knigge“ aus 1716 – erstellt für die kaiserliche Botschafterin in Rom und Vizekönigin von Neapel, Maria Ernestine Gräfin Gallas – gibt Einblick in die Benimmregeln am glatten diplomatischen Parkett von Rom sowie Rückschlüsse auf die latenten Spannungen zwischen Kurie und dem Habsburgerreich.

"Succedendo bene spesso, che l‘ambasciatore cesareo habbia moglie e che voglia condurla in Roma et tenerla in pubblicco [...]"

Mit diesen Worten beginnt das Cerimoniale per l’ambasciatrice cesarea e cattolica aus dem Jahr 1716, um dann auf den folgenden 34 Folien detaillierte Anweisungen für das Verhalten einer kaiserlichen Botschafterin in Rom zu geben. Der Text ist in italienischer Sprache im Allgemeinen Verwaltungsarchiv/Finanz- und Hofkammerarchiv als schön gebundener Band im Familienarchiv Harrach überliefert. Die Aufbewahrung einer Zeremonialinstruktion für eine kaiserliche Botschafterin in einem privaten Familienarchiv hat Erklärungsbedarf. Das Cerimoniale kam mit zahlreichen weiteren Papieren der Familien Dietrichstein und Gallas durch die Eheschließung von Maria Ernestine, geborener Gräfin Dietrichstein, verwitweter Gräfin Gallas, mit Alois Thomas Raimund Graf Harrach 1721 in das Familienarchiv der Harrachs, wo es bis zum heutigen Tag verwahrt wird.

Maria Ernestine war sowohl kaiserliche Botschafterin in Rom als auch Vizekönigin von Neapel. Die Funktion der Vizekönigin bekleidete sie sogar zweimal, einmal 1728–1733 mit ihrem eben erwähnten zweiten Mann Graf Harrach und bereits knappe zehn Jahre früher mit ihrem ersten Ehemann Johann Wenzel Graf Gallas. Der erste Aufenthalt in Neapel war aber nur von äußerst kurzer Dauer, da sich Johann Wenzel auf der Reise von seinem Botschaftsposten in Rom nach Neapel mit einem Fieber ansteckte und drei Wochen nach seinem Amtsantritt verstarb. Maria Ernestine musste danach nicht nur die Rückreise nach Wien für sich und ihre beiden Kleinkinder in die Wege leiten, sondern wurde von der Reichskanzlei in Wien auch bedrängt, die Papiere ihres verstorbenen Mannes so bald als möglich nach Wien zu senden. Johann Wenzel Graf Gallas war seit 1714 kaiserlicher Botschafter in Rom gewesen und hatte amtliches Schriftgut auf seinen neuen Posten mitgenommen. Es ist anzunehmen, dass Maria Ernestine auch die Zeremonialinstruktion, die sie wahrscheinlich anlässlich ihrer Hochzeit mit Graf Gallas im Oktober 1716 erhalten hatte, zuerst von Rom nach Neapel und anschließend zurück nach Wien transportiert hatte.

Johann Wenzel Graf Gallas trat seinen Posten in Rom als Witwer an, reiste aber im Frühjahr 1716 nach Wien, um sich mit der Schwester seiner 1705 verstorbenen ersten Frau zu verehelichen. Maria Ernestine Gräfin Dietrichstein, geboren am 13. Juli 1683, war zum Zeitpunkt der Eheschließung Kammerfräulein der regierenden Kaiserin Elisabeth Christine. Nach der Hochzeit am 26. Oktober 1716 in der Wiener Hofburg reiste das Paar über Venedig nach Rom zurück. Sie trafen am 20. Juni 1717 wieder in Rom ein, und Maria Ernestine nahm ihren Platz als ambasciatrice cesarea an der Seite ihres Mannes ein.

Seit 1691 amtierten wieder weltliche kaiserliche Botschafter, begleitet von Ehefrau und Kindern, in Rom, der erste von ihnen war Anton Florian Fürst Liechtenstein. Seine Mission leitete eine Epoche starker Spannungen zwischen Wien und Rom ein. Aufgrund der politischen Lage in der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs und den daraus resultierenden Spannungen mit dem bourbonischen Spanien und der Problematik der neugewonnenen ehemaligen spanischen Nebenländer auf der Apenninen-Halbinsel kam der kaiserlichen Vertretung beim Heiligen Stuhl eine besondere Bedeutung zu. Spannungen mit der Kurie waren vorprogrammiert, namentlich in Bezug auf Neapel, das der Lehenshoheit des Papstes unterstand. Der Papst wurde gerade in dieser Zeit nicht nur als Oberhaupt der Christenheit, sondern auch als Landesherr eines großen an die Monarchia Austriaca grenzenden Gebietes wahrgenommen.

Im Allgemeinen artikulierten sich die politischen Differenzen zwischen Papst und Kaiser in diesen Jahren in heftigen zeremoniellen Auseinandersetzungen, die während der Missionen aller kaiserlichen Botschafter zwischen 1689 und 1719 eine große Rolle spielten. Gerade das römische diplomatische Zeremoniell stellte die Damen vor eine besondere Herausforderung, da die corte di Roma anders als die übrigen großen europäischen Höfe funktionierte. Zwar war die corte di Roma der Vormoderne keine reine Männerdomäne, sondern vielmehr eine mit den Königs- und Fürstenhöfen zu vergleichende Monarchie, in der auch die Frauen Teil der höfischen Gesellschaft waren. Sie wies aber zwei spezifische Eigenheiten auf, welche die höfische Gesellschaft Roms und damit auch das diplomatische Corps prägte: den Wahlcharakter und die geistlich-weltliche Doppelfunktion des Papsttums. Das Cerimoniale bietet in elf Kapiteln eine Gebrauchsanweisung für die römischen Verhältnisse, in der genaue Anweisungen für öffentliche und private Audienzen und Besuche, Ausfahrten, den Besuch von Theater- und Musikvorstellungen vor allem während der Karnevalszeit und die Teilnahme an den verschiedenen religiösen Zeremonien mit ihren spezifisch römischen Eigenheiten gegeben werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anwesenheit von kaiserlichen Botschafterinnen in Rom in den Jahren 1689–1719 die Präsenz ihrer Ehemänner im Positiven wie im Negativen unterstrichen zu haben scheint. Da zu dieser Zeit die Konflikte zwischen Habsburgern und Bourbonen sowie zwischen Kaiser und Papst auf ihren Höhepunkt zusteuerten, versuchten auch die Botschaftergattinnen, Handlungen zu setzen, die ihre Vorrangstellung betonten und gleichzeitig auch immer den Anspruch von Erzherzog Karl auf den spanischen Thron in Erinnerung rufen sollten. Die Erfahrungen, welche die Aristokratinnen in Rom machten, konnten sie auch für ihre weiteren Posten gut einsetzen, wie etwa Maria Ernestine Gräfin Gallas Harrach an der Seite des österreichischen Vizekönigs von Neapel. Diese ranghöchsten Repräsentationsposten der werdenden Monarchia Austriaca verlangten nach Amtsträgern und Amtsträgerinnen mit großen Erfahrungen, und diese hatten die adeligen Amtspaare auf dem glatten römischen Parkett ausreichend gesammelt.

– Pia Wallnig –

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Zeremonialprotokoll für kaiserliche Botschafterinnen

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1716.