Die pragmatische Sanktion

Dokument 24

Die von Kaiser Karl VI. 1713 veröffentlichte Thronfolgeordnung, gekoppelt mit dem Prinzip der Unteilbarkeit des Herrschaftsgebiets, sollte sich als zentraler konstitutioneller Baustein der Donaumonarchie herauskristallisieren. Dennoch mündet das Ableben des Kaisers ohne männlichen Nachfolger und der Amtsantritt Maria Theresias in einen Erbfolgekrieg.

Als die Pragmatische Sanktion als künftige Erbfolgeordnung in der Habsburgermonarchie am 19. April 1713 deklariert und beglaubigt wurde, ist dies sowohl End- als auch Anfangspunkt. Gleichzeitig stellte die Absicherung der Nachfolge durch Sukzessionsordnungen durchaus keinen Einzelfall dar, auch wenn es Erbfolgekriege sind, die die Jahrzehnte um 1700 prägen.

Endpunkt insofern, als durch die Pragmatische Sanktion endgültig die Nachfolge innerhalb der verbliebenen Familienmitglieder des Hauses Habsburg geregelt wurde. Dabei berief man sich etwa bereits auf ältere letztwillige Verfügungen Kaiser Ferdinands II. (1621, 1635), insbesondere auf das pactum mutuae successionis von 1703. Damals hatten Kaiser Leopold und seine beiden Söhne nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers Karl II. 1700 die habsburgischen Länderansprüche geteilt. Joseph sollte seinem Vater in der Habsburgermonarchie folgen, Erzherzog Karl die Ansprüche auf das spanische Weltreich wahrnehmen. Eben auf diese leisteten Kaiser Leopold und Joseph zugunsten Karls am 12. September 1703 öffentlich in Wien (im heutigen Theresianum) Verzicht. Zusätzlich vereinbarte man eine gegenseitige Erbfolge, falls eine der Linien der beiden Brüder aussterben sollte. 1711 starb der nunmehrige Kaiser Joseph I. 33-jährig an den Blattern und hinterließ zwei Töchter – Maria Josepha und Maria Amalia. Karl (III.) kehrte aus Spanien zurück, um das Erbe in der Habsburgermonarchie und als Kaiser Karl VI. im Heiligen Römischen Reich anzutreten. Seine Ehe war jedoch noch kinderlos, weshalb sich am Wiener Hof die Frage nach den Erbansprüchen der beiden josephinischen Erzherzoginnen, also den Töchtern von Karls Bruder, stellte. Diese wurden von der Kaiserwitwe Amalia Wilhelmine von Braunschweig-Lüneburg vehement eingefordert, zumal es auch um den Rang innerhalb der Hofgesellschaft und um künftige Eheschließungen der Töchter ging.

Die Situation verschärfte sich noch zusätzlich, als die nunmehrige Kaiserin Elisabeth Christine 1713 aus Spanien, wo sie die Ansprüche ihres Gatten Karl als Statthalterin wahrgenommen hatte, nach Wien zurückkehrte. Gemeinsam mit der Kaiserinmutter weilten zu diesem Zeitpunkt also drei Kaiserinnen sowie die Schwestern und Nichten des Kaisers in Wien, deren Rang untereinander festgelegt werden musste. Da der Akt von 1703 mit der Übernahme der spanischen Ansprüche durch Erzherzog Karl bereits zehn Jahre zurücklag, wurde als Grund für die neuerliche Deklarierung der Sukzessionsordnung der Tod des Großteils der damals anwesenden Minister angegeben. Hofkanzler Johann Friedrich Graf Seilern hatte bereits 1703 an der Abfassung des Aktes mitgewirkt, und auch 1713 übernahm er eine wichtige Vermittlerrolle in der Abstimmung zwischen den Ansprüchen der beiden Kaiserwitwen – also der Mutter und der Schwägerin des Kaisers –, welche die Rechte ihrer Töchter vertraten. Es muss betont werden, dass die Pragmatische Sanktion demnach vor der Geburt der Kinder Karls VI. deklariert wurde und damit nicht von Beginn an die Nachfolge der erst 1717 geborenen Maria Theresia sichern sollte.

Man bezog sich bei der nunmehrigen Festlegung der Untrennbarkeit und Unteilbarkeit des Länderkomplexes auf frühere Verfügungen der habsburgischen Vorfahren. Die Nachkommen der eigentlich jüngeren, aber derzeit regierenden carolinischen Linie werden in der Pragmatischen Sanktion an die erste Stelle der Erbfolge gesetzt. Erbe sollte ein künftiger Sohn des Kaiserpaares sein, nach diesem wären aber schon die künftigen Töchter Karls VI. erbberechtigt. Erst dann sollten die beiden josephinischen Erzherzoginnen und bei deren Tod die Schwestern des Kaisers nachfolgen, was nun auch für den Rang bei Hof relevant war. Bei einem kinderlosen Tod des Kaisers wäre also die älteste noch lebende Tochter Josephs I. und Amalia Wilhelmines 1713 Thronerbin gewesen, weshalb die junge Witwe im Gegensatz zur Kaiserinmutter mit der neuen Regelung vorerst zufrieden war.

Karl VI. blieb der letzte lebende männliche Habsburger, weshalb die Deklaration die Grundlage und den Anfangspunkt der Überlegungen zur künftigen Nachfolge in den habsburgischen Ländern darstellte. Dem Kaiserpaar wurde 1716 der Sohn Leopold Johann und damit der lang erhoffte männliche Erbe geboren, der jedoch wenige Monate später starb. 1717 und 1718 folgten die Töchter Maria Theresia und Maria Anna. Das Kaiserpaar hatte somit leibliche Erben, als die Frage der Vermählung der josephinischen Erzherzoginnen zunehmend drängender wurde. Letztendlich wurde die Ältere, Maria Josepha, 1719 mit dem sächsischen Kurprinzen Friedrich August und 1722 Maria Amalia mit dem bayrischen Kurprinzen, dem späteren Kaiser Karl VII., vermählt. Zuvor hatten diese und ihre Ehegatten die Pragmatische Sanktion anerkennen und die Erzherzoginnen auf ihre Erbansprüche verzichten müssen.

Zwar hoffte man weiterhin auf einen männlichen Erben des Kaiserpaares, doch wurde die Erbfrage zusehends drängender und damit die 1713 deklarierte Pragmatische Sanktion – die letztlich ein Konvolut von habsburgischen Erbverfügungen darstellt – immer wichtiger. Um die nun mögliche weibliche Erbfolge abzusichern, sollte diese von den Vertretern der einzelnen Länder anerkannt werden. Das geschah bereits 1720 in einem Großteil der Länder, 1721 folgten der Egerer Kreis, Glatz und der Breisgau, 1722 die Vorarlberger Landstände sowie der Landtag des Fürstentums Siebenbürgen und Ungarn, 1724 die Österreichischen Niederlande und 1725 Fiume. In Neapel verlautbarte man die Sukzessionsordnung in Anwesenheit hoher Würdenträger im Mai 1725. Damit waren das Konvolut und mit ihm die weibliche Erbfolge in den weitgestreuten Besitzungen der Länder anerkannt, wenn auch nicht unbestritten. Es folgte nun die Durchsetzung der Sukzessionsordnung nach außen, wobei der Kaiser in seinen letzten Regierungsjahren wesentliche Zugeständnisse in Kauf nahm, die Länderverluste, kostspielige Kriege und wirtschaftliche Nachteile (etwa die Auflösung der Kaiserlichen Ostendischen Kompanie) bedeuteten. Dafür konnte er in zahlreichen Bündnissen und Friedensschlüssen aber die Anerkennung durch folgende europäische Mächte erreichen: Spanien (1725), Russland (1726), Preußen (1726/1728), England (1731), Niederlande (1732), Heiliges Römisches Reich (Reichsgesetz 1732, nicht unterstützt von der Kurpfalz, Bayern und Sachsen), Dänemark (1732), Sachsen (1733) und Frankreich (1735). Tatsächlich vermochte die Anerkennung der Sukzessionsordnung nach außen den Österreichischen Erbfolgekrieg nach dem Tod Karls VI. nicht zu verhindern. Der bayrische Kurfürst und Friedrich von Preußen marschierten in die Länder der Habsburgermonarchie ein. Karl Albrecht von Bayern wurde 1742 zum Kaiser gewählt – zu einem Zeitpunkt, da sich das Blatt bereits zugunsten Maria Theresias gewendet hatte. Unmittelbar nach der Krönung in Frankfurt besetzten die österreichischen Truppen München. Die auch in Übersee ausgetragenen Kriege um die habsburgischen Ansprüche sollten, bei wechselnden Bündnissen, letztlich jedoch bis 1763 andauern.

Die Pragmatische Sanktion entfaltete ihre Wirkung vor allem aber auch nach innen, da diese als Grundgesetz und Klammer der Monarchie bis 1918 aufrechtblieb und sich etwa Verfassungsurkunden wie das Februarpatent (1861) gleich zu Beginn auf diese berufen [Königgrätz].

– Stefan Seitschek –

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