Danneberg

Dokument 83

Robert Danneberg, Jurist, Sozialdemokrat, Wiener Landtagspräsident, Finanzstadtrat, Abgeordneter zum Nationalrat: Der intellektuelle, konsensorientierte Politiker mit jüdischen Wurzeln erfüllt alle stereotypen Zerrbilder der NS-Hetzpropaganda. Seine Spur verliert sich 1942 im KZ Auschwitz, seine Urne am Ehrengrab der Feuerhalle Simmering bleibt leer.

An jenen verhängnisvollen Iden des März 1938 verlässt, mit vielstündiger Verspätung, ein gespenstisch anmutender, völlig überfüllter Eisenbahnzug den Wiener Ostbahnhof in Richtung Brünn, seit nunmehr vier Jahren Sitz der exilierten österreichischen Sozialdemokratie. An Bord eine illustre Runde: politische Mandatare aller Couleurs, jüdische Bankiers und Großindustrielle, Hofrat Weiser, der Chef der Staatspolizei des austrofaschistischen Regimes, gleichermaßen wie Karl Hans Sailer, erster Vorsitzender der Revolutionären Sozialisten (RS) und Hauptangeklagter im großen Sozialistenprozess 1936; und nicht zuletzt auch Dr. Robert Danneberg, Präsident des Wiener Landtages bis 1932 und, in der Nachfolge Hugo Breitners, Wiener Finanzstadtrat bis zu seiner gewaltsamen Enthebung im Februar 1934.

Der einem jüdisch-ungarischen Zuwanderermilieu entstammende Danneberg ist ein ebenso außergewöhnlicher wie intellektuell hoch begabter Mensch. Akademisches Gymnasium und Jus-Studium hat er mit bestechender Brillanz absolviert, mit 18 ist er Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, fünf Jahre darauf (1908) Generalsekretär der Sozialistischen Jugendinternationale. Er bewegt sich im Umfeld der Austromarxisten um Bauer, Renner und Hilferding, zur Zeit des Ersten Weltkriegs organisiert er, zusammen mit Friedrich Adler, eine gegen die Tolerierungs- und Burgfriedenspolitik des Parteivorstands ausgerichtete innerparteiliche Opposition. Engelbert Pernerstorfer prägt das hässliche Wort vom „Typus Danneberg“ für eine ganze, vom Prinzip der „reinen Rationalität“ geleitete, im politischen Spektrum weit links angesiedelte Generation. Danneberg selbst indes entwickelt sich zum veritablen Pragmatiker, schafft die juristischen Grundlagen für die visionäre Wohnbaupolitik des „Neuen Wien“ der Zwischenkriegszeit, betätigt sich als dessen führender publizistischer PR-Mann. Vor allem aber verhandelt er für die Sozialdemokratie, mit Zähigkeit und unübertroffener Sachkompetenz, den Verfassungskompromiss von 1929 – der ja in seinen wesentlichen Zügen noch heute, da wir das 100-jährige Gründungsjubiläum der Republik begehen, Gültigkeit hat. Im Februar 1934 wird Danneberg, wie alle im Lande verbliebenen Vorstandsmitglieder der Sozialdemokratie, verhaftet und für acht Monate arretiert, um sich nach seiner Entlassung sofort den im Untergrund tätigen Revolutionären Sozialisten anzuschließen – was ihn nicht daran hindert, im März 1938 vehement für ein Zusammengehen mit Schuschnigg und die Formierung einer breiten anti-nationalsozialistischen Allianz einzutreten. Er ist mithin zu diesem Zeitpunkt mehrfach akut gefährdet.

Der Ausreiseversuch scheitert an der tschechischen Grenze, wo alle Personen, die keinen Wohnsitz in der C ˇ SR nachweisen können, abgewiesen werden; ein von Otto Bauer beim tschechischen Innenminister erwirktes Visum liegt bereit, findet aber keinerlei weitere Beachtung. Zurück in Wien wird Danneberg – verraten von dem tragischen Hans Pav, ehemals Sportredakteur der Arbeiter-Zeitung und Leitungsmitglied des Wiener Vorstands der RS – sofort von der Gestapo verhaftet und entsprechenden Verhören unterzogen. Zerbrochen, gequält und geschunden findet er sich auf einem Nazi-Plakat zu einer Fratze im Stil des Stürmer verfremdet; es ist ein Wienweit verbreiteter Sonderdruck des SS-Kampfblattes Das Schwarze Korps mit der Textierung „Nach Redaktionsschluß … (Juden machten Österreichs Presse)“. Der von der Gestapo instrumentalisierte Pav hat im Übrigen auch die große Sozialwissenschaftlerin Käthe Leichter ausgeliefert. Zunächst in Wien inhaftiert, erfolgt 1940 ihre Deportation in das Konzentrationslager Ravensbrück, im Februar 1942 wird sie im Zuge eines Weitertransports ermordet.

Wie für Leichter beginnt nunmehr auch für Robert Danneberg ein kaum in Worte zu fassendes Martyrium. Er ist Teil eines ersten, sogenannten „Prominententransports“, der am 1. April 1938 nach Dachau abgeht und dem der Generalsekretär der Vaterländischen Front, Walter Adam, oder der Präsident der Einheitsgewerkschaft, Johann Staud, ebenso angehören wie die jungen revolutionären Sozialisten Franz Olah und Stephan Billes, Richter Alois Osio oder Sektionschef Robert Hecht wie auch der Schutzbund-Militär Major Alexander Eifler, die beiden nachmaligen ÖVP-Bundeskanzler Leopold Figl und Alfons Gorbach ebenso wie der austromarxistische Soziologe Paul Neurath, der christlich-soziale Arbeiterkämmerer Viktor Matejka, der Operettenlibrettist Fritz Löhner-Beda oder der Präsident des Wiener Fußballverbands, Josef Gerö. Vier unsagbare Jahre widersteht Robert Danneberg dem Terror des Konzentrationslagers, bis er, via Buchenwald, 1942 nach Auschwitz überstellt wird, wo sich nach weiteren sechs Wochen seine Spur verliert.

– Wolfgang Maderthaner –

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Robert Danneberg

Dokument 83

Robert Danneberg, geschunden und verfremdet, plakatiert auf einem Sonderdruck des SS-Kampfblattes „Das Schwarze Korps“. März 1938, Wien.