"Die Suche nach dem Österreichischen führt uns unweigerlich ins Archiv“
Wolfgang Maderthaner, Generaldirektor des österreichischen Staatsarchivs
Wallensteins Tod
Dokument 18
Mit der Ermordung von Wallenstein, dem jahrelang erfolgreichen, entlassenen, wieder eingesetzten und letztlich nach Vorwurf des Hochverrats abgesetzten „Generalissimus“ der kaiserlichen Armee, erfolgt 1634 der Abgang eines der schillerndsten „Warlords“ des Dreißigjährigen Kriegs.
Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein („ Wallenstein“), Herzog von Friedland, ist eine der schillerndsten Figuren in der Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs. Dabei war seine Karriere keineswegs vorprogrammiert. 1583 geboren, war er zunächst Protestant; erst die Konversion zum katholischen Glauben und seine zweite Ehe mit Isabella von Harrach ebneten ihm den Weg in die höchsten Hofkreise. Dank seiner wirtschaftlichen und strategischen Begabung avancierte er zum erfolgreichen Feldherrn. Wallensteins glänzende militärische Karriere hatte 1620 mit selbst finanzierten Truppen begonnen. 1628 war er zum Herzog von Mecklenburg und damit zum Reichsfürsten erhoben worden. 1630 auf dem Kurfürstentag von Regensburg erstmals entlassen, wurde er in der kriegerischen Notlage von 1632, als Gustav II. Adolf von Schweden fast ganz Deutschland eroberte, erneut zum Generalissimus des Kaisers mit umfassenden Vollmachten ernannt und hatte eine überaus mächtige und finanzstarke Position inne. Sein persönliches Talent beschränkte sich freilich nicht auf die militärische Strategie, ebenso, wenn nicht sogar noch wichtiger waren seine Leistungen im Bereich der Heeresorganisation und der Wirtschaftspolitik. Doch die Stimmung am Kaiserhof wandte sich bald wieder gegen ihn. Im Jänner 1634 wurde er auf Befehl des Kaisers erneut entlassen und am 25. Februar 1634 in Eger ermordet.
Vorbote dieses Ereignisses war bereits das am 18. Februar 1634 erlassene „Zweite Entlassungspatent“. Nur kurze Zeit später wurde der Herzog von Friedland vor den versammelten niederösterreichischen Ständen und von allen Kanzeln zum Rebellen und Verräter erklärt. Zahlreiche Flugschriften wurden gedruckt, um die kaiserliche Argumentation zu unterstützen. Im Bestand der Kriegsakten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs sind mehrere Dokumente zu den Vorgängen im Februar 1634 in Pilsen, die mit der Ermordung des Generals endeten, erhalten: In einem Bericht über die „Wallensteinische Prodition“, die eine Rechtfertigung für die Tötung des Herzogs enthält, wird er „böser, arglistiger und höchstgefährlicher, heimblicher Machinationen und Practicken“ und der „Catilinischen Conspiration“ beschuldigt, wenngleich auch „vorhero mit villen grossen kayl. Gnaden begabt“, wie „bey vorigen Kaisern wenig dergleichen Exempel zu finden“.
Über den Tathergang der Ermordung oder – aus Sicht der kaiserlichen Anhänger – Hinrichtung Wallensteins liegt ein relativ zeitnah verfasster Bericht, vermutlich aus der Feder Oberst Gordons, mit einigen Ergänzungen von General Octavio Piccolomini, vor. Am 24. Februar 1634 traf Wallenstein in der westböhmischen Stadt Eger ein und wurde vom Stadtkommandanten John Gordon im Haus des Bürgermeisters einquartiert. Am späten Abend des folgenden Tages wurde er auf Befehl Gordons und der beiden kaisertreuen Offi ziere Walter Butler und Walter Leslie in seinem Quartier von Hauptmann Walter Devereux getötet. Schon zuvor waren seine Offi ziere, die ihm bis zum Schluss die Treue gehalten hatten – Christian von Illow, Adam Erdmann von Trcˇka, Wilhelm von Kinsky sowie der Rittmeister Heinrich Niemann – nach einem Bankett ermordet worden. In Folge des Sturzes Wallensteins wurden seine Besitzungen sowie auch die Häuser seiner Parteigänger konfisziert und an die Auftraggeber der Mörder bzw. Exekutoren verteilt. Die Anklage, die gegen Wallenstein erhoben wurde, beruhte auf Gerüchten und Übertreibungen. Die Tötung erfolgte ohne Prozess. Ein solcher war nach Ansicht der Berater des Kaisers nicht nötig, da Wallenstein durch sein Verhalten zu einem offenkundigen Rebellen geworden und der Reichsacht verfallen sei.
Viel an Literarischem und Historischem ist über die Person Wallensteins und seine Ermordung geschrieben worden. Friedrich von Schillers Werke haben die Vorgänge ausführlich behandelt. Wissenschaftliche Diskurse – der im 19. Jahrhundert geführte Streit zwischen Anton Gindely und Hermann Hallwich füllt viele tausend Seiten – sind bis zur heutigen Zeit zahlreich und kontrovers. Einige Autoren nennen Wallenstein einen Verräter, der König von Böhmen werden wollte, andere führen die Ermordung Wallensteins auf seine Friedenspläne zurück. Eine objektive Einschätzung der Situation wird dadurch erschwert, dass alle zeitgenössischen Berichte von Propaganda, Ideologie und Rechtfertigungsversuchen geprägt sind. Auch die spätere wissenschaftliche Bearbeitung war oft politisch oder national gefärbt.
Wallenstein suchte einen Ausgleich mit den deutschen Protestanten, die ihm aber ebenfalls misstrauten – eine Politik, die Kaiser Ferdinand nach dem Tod des Feldherrn zunächst erfolgreich weiterführen sollte. Dazu kamen noch finanzielle Aspekte: die teure Kriegsführung und die Zahlungen für das Winterquartier in Böhmen. Wallenstein war zum Zeitpunkt seiner Ermordung schwer krank, nach seinem natürlichen Tod hätte sein Neffe Maximilian von Waldstein das riesige Vermögen geerbt. Das Geld wurde jedoch dringend für den Staatshaushalt benötigt. Mit der Ermordung Wallensteins beseitigte man einen Gläubiger und konnte gleichzeitig die konfiszierten Güter zur Bezahlung weiterer Schulden verwenden. Seine Besitzungen konnten – anders als bei einem natürlichen Tod – enteignet und weiter verteilt werden. Somit trat zum politischen Misstrauen als wesentliches Tatmotiv der finanzielle Vorteil hinzu. Um mit Schiller zu enden: „Nur vom Nutzen wird die Welt regiert.“
– Zdislava Röhsner –
Ermordung Wallensteins
Dokument 18
Bericht von Oberst Gordon, Stadtkommandant von Eger, über den Ablauf der Ermordung Wallensteins am 24. Februar 1634. Versehen mit Korrekturen von Octavio Piccolomini, Herzog von Amalfi, ehedem General Wallensteins und Kommandeur seiner Leibgarde. Februar 1634, Eger.
Dokument 18
AT-OeStA/HHStA Kriegsakten 74-1
Ermordung Wallensteins
Dokument 18
Gordons Relation mit Piccolominis Korrekturen.Warhaffte Relation all deß jenigen, was sich von dem 24. Febr. biß den 28. eiusdem bey deß herzogen von Fridtlandts und seiner adhaerenten ankunfft und darauf erfolgter execution begeben und zugetragen.Den 24. Febr. gegen Abent zwieschen 4 und 5 Uhr seindt Ihr fürst. Gnaden accompagnieret mit Herrn General Feldt Marschalck Ihlou, Herrn Graven Adam Terzky, Herrn Küntzky (so sich bißhero bey Chur Sachsen aufgehalten und vorhero deß Königreich Böheimbs Obrister Landt Jägermeister geweßen), Herr Rittmeister Nieman und andern hohen Officieren, jedoch mit gar geringer seiner Hoffstatt (dann der maiste thail sambt der fürstlichen pagaggi zu Pilßen verblieben) neben 4 Cornet Terzkyscher Reutterey, 7 Compagnien Puttlerischer Tragoner und 5 Cornt Alt Sächsisch, so unversehens wieder durch und zurück nach Pilsen gangen, alhier in Eger, von deßen ankunfft man drey stundt zuvor nichts gründtliches gewust, ankomben und ihre Logirung nit in dem alten guardir, sondern zu endt des plazes nemben laßen. Worauf noch selbige Nacht deßen Cantzler der von Elz zu dem Marggrafen nacher Culmbach verschickt, so woll unterschiedliche Potten nach Saaz, Leutmeriz, Laun und andere Ortt, von denen die gehofften Regiementer, so aber alle außenblieben, her marchiren sollen, eylendts abgefertiget, auch die 4 Cornet Terzkysch ufs landt und der meiste thail der Tragoner in die Vorstat geleget worden.Folgenden tags, alß Sambstags, so der 25. war, haben Ihr fürstl. Gnaden einen Currier an dem von Arnhaimb und einen Trompeter an Herzog Franz Albrecht von Sachsen geschicket, gegen Abent aber Herr General Feldt Marschalck Ihlou den alhiesigen Commandanten Johann Gordon Obristen Leutenant und Obristen. Wachmeister Leßla untter dem Terzkyschen Regiment zu Fuß, natione beede Schottländer, so mit in die 1200 Mann stark in der Guarniggion liegen, in Bevelch gegeben, daß Sie deß nechsten tages, alß Sontags früe umb 8 Uhr Burgermeister und Rath alhier zusamb beruffen und Ihnen vorgehalten, sich in Ihr fürstl. Gn. von Friedtlandt Devotion alßobalden zu begeben, zu huldigen und zu schweren, so wol zu fortstellung der Kriegsverfaßungen in continenti 4000 R. Thlr. herzuschießen und uf ihr verwaigern oder da Sie nur nein darzusagen, daß sie einem spießen, dem andern vierthailen, dem dritten henckhen, dem vierten köpfen und folgentergestalt, biß die andern sich hierzu guetwillig erklärten, procediren Iaßen solten. Bald darauf hat der Commandant Johann Gordon, so bey deß Hertzogen Ankunfft auß seinem Logir gewichen und sich auf die königliche Burg (so von der Stadt etwaß separiret, doch vor sich zimblich bevestigt) begeben, Herr Graffen lhlou, Herrn Terzky, Herr Küntzky, H. Obristen Puttler, H. Rittmeister Niemann und H. Obristen Wachtmeister Leßla zur Abend Collation dorthin erbetten, welche auch sämbtlich erschienen und sich frölich erwießen. Untter deßen seindt die Wachten uf der Burg und bey der Corps de Garde zwieschen 9 und 10 Uhr deß nachts geschwindt gestercket, daß Oberthor geöfnet und in höchster still eine Compagnia Tragoner eingelaßen, deren Capitain sich neben ihnen so baldten uf die Burg, so stracks wieder zugeschloßen, befunden, in daß Losament mit verborgenen entblößten Degen eingetretten und geschryen: Wer ist guett Kayserisch? Hierauf H. Obr. Puttler, H. Obr. Leut. Gordon und H. Obrister Wachtmeister Leßla Vivat Ferdinandus, Vivat Ferdinandus schnell geantwortet, die Wehr ergrieffen und uf H. Oraffen Ihlou, H. Terzky, H. Kinzky und Riettmeister Nieman getrungen, worvon H. Ihlou und H. Küntzky gleich anfangs geblieben, H. Graf Tertzky aber, so (wie man vorgibt) incantiret und gefroren geweßen, sich also gewehret, daß er auch in daß Vorhaus komben, jedoch entlieh von den Tragonern mit Mußqueten gar zu Todt geschlagen worden. Riettmeister Nieman ist gleichfals nach empfangenen zweyen Stichen in die Speiß Cammer sich salvirent umbgefallen und verstorben. Und ist diß alles ohne sonderbahren Tumult, dann dero Diener einer nach dem andern in ein abgelegenes Gemach zum Essen geführet und verschloßen worden, abgangen.Sobaldt diß Orts der Sachen ein endt gemacht und sich obbemelter Capitain über eine Compagnia Puttlerischer Tragoner ohngefehr mit 20 Musquetirern, denen aber ufm Fueß mehrere secundiret, auß der Burg begeben und in deß Herzogen von Friedtlandt guardir komben, ist der Cammerdiener, so vorm Losament ufgewartet, mit der kurzen wehr stracks durchstochen, der Mundtschenk, so Ihr fürst. Gn. in einer guldenen Schalen einen Trunk Biers gebracht und im Hinaußgehen geweßen, an Arm verwundet worden; worauf die Mußquetierer Rebellen, Rebellen geschryen, daß fürstlich Losament eröfnet und Ihr fürst. Gn., so bloß im Hembdt am Tisch lainendt gestanden und mehr nit alß Ah guardir gesprochen, von mehr besagten Capitain mit vorgehenten Wortten Du schlimmer meinaydiger alter rebellischer Schelm mit der Partisan zwischen beeden Prüsten durchstochen worden, drueber so baldt uf die Erden gefallen und gestorben, von den Tragonern in ein roth Tuch gewickelt uf eine Carozen gelegt und uf die Burg zu den anderen geführet worden. Der Ortten sie biß dato in Särgen liegen. Die vorhandene Sachen helt man ingleichen uf der Burg verwahrlich; die übrige gantze nacht haben 3 Compagnien zu Fueß neben denn Tragonern guette Wachten gehalten, auch die Tragoner hin und wieder partiret und seindt biß dato die Thor verschloßen.