Maxmex

Dokument 47

Mit der standrechtlichen Erschießung Maximilians I. endet 1867 das politische Abenteuer eines unerfahren Wohlmeinenden: Der Bruder Kaiser Franz Josephs, Spielball Napoleons III. und
von Beginn an auf verlorenem Posten im Hexenkessel der Fremde, ist der erste einer Reihe unnatürlicher Todesfälle im Umfeld des vorletzten Habsburgerkaisers.

Karl Mays unter dem Eindruck der Formierung des deutschen Nationalstaates getroffene Einschätzung darf hierzulande (und wohl bis zum heutigen Tag) als weitgehend konsensfähig gelten: Wie die Österreicher im Allgemeinen sei auch Maximilian ein im Prinzip eher gutmütiger und wohlmeinender Mensch gewesen. Im Gegensatz zu seiner überaus ambitionierten Gemahlin, der schönen und ehrgeizigen Charlotte von Belgien, „weich und schwärmerisch“ veranlagt, habe er Mexiko einfach nicht verstehen können – ein Land, „dessen Boden vom Blut raucht“, ein Volk, „gewalttätiger als jedes andere“. Der „brave“, aber „verblendete“ Maximilian sei vom „Emporkömmling“ Napoleon III. instrumentalisiert und zum Marionettenkaiser, zur „Puppe der Franzosen“ degradiert worden. Und als er unter dem Einfluss seiner ebenso intriganten wie unfähigen Entourage einmal Stärke demonstrieren und per Erlass im Oktober 1865 den De-facto-Ausnahmezustand zu verhängen gewillt war, habe er mit „eigener Hand sein Todesurteil“ unterzeichnet. Besagter Erlass erklärte die Gefolgschaft des republikanischen Präsidenten Benito Juárez ausnahmslos für vogelfrei und außerhalb der Gesetze stehend – auf der gleichen Stufe wie Banditen, Straßenräuber und gemeine Verbrecher –, die bei Ergreifung binnen 24 Stunden zu exekutieren war. Tatsächlich wurden auf Basis dieses Dekrets binnen Kurzem an die 9.000 Menschen erschossen (darunter ranghohe Militärs wie General José María Cayetano Arteaga Magallanes) und damit, in großem Stil, leidenschaftlich betrauerte Märtyrer der nationalen Unabhängigkeit geschaffen.

Im Oktober 1863 hatte eine klerikal-konservative mexikanische Delegation Erzherzog Ferdinand Maximilian – den jüngeren, überaus begabten Bruder Kaiser Franz Josephs – im Schloss Miramar bei Triest aufgesucht, ihm auf Druck Napoleons III. die mexikanische Kaiserkrone angeboten und gleich auch einen entsprechend manipulierten Volksentscheid präsentiert. Maximilian – von 1857 bis 1859 Generalgouverneur von Lombardo-Venetien und seit dem Verlust der Lombardei politisch marginalisiert – akzeptierte, trotz massiver Bedenken seiner Familie und um den Preis eines Verzichts auf seine Thronfolge- und Erbansprüche in Österreich, den vor allem Franz Joseph forcierte. Am 10. April 1864 wurde er zum Kaiser von Mexiko ausgerufen und brach in ein vom Bürgerkrieg zerrissenes und schwer heimgesuchtes Land auf.

Benito Juárez – Angehöriger des indigenen Volkes der Zapoteken und paradigmatischer Liberaler – war nach Jahren im Exil, das er in bitterer Armut in New Orleans verbracht hatte, 1855 nach Mexiko zurückgekehrt und 1861 zum Präsidenten gewählt worden. Sein vorrangiges Ziel war die Einführung eines an die USA angelehnten liberalkapitalistischen Wirtschaftssystems – was angesichts der Dominanz der katholischen Kirche und der sozialen Beharrungstendenzen eines nach mittelalterlichen Prinzipien hispanisierten Bauerntums ein überaus ambitioniertes Vorhaben war. Demgemäß ging es den liberalen Eliten vordringlich darum, die Voraussetzungen für eine kapitalistisch organisierte Landwirtschaft überhaupt erst zu schaffen, d.h. eine Umwandlung allen Grund und Bodens in eine frei veräußerliche Ware auf Basis individuellen Eigentums. Das bedeutete natürlich auch die Zerschlagung überkommener Formen des gemeinwirtschaftlichen Landbesitzes. Zugleich wurde ein radikal antiklerikaler Kurs verfolgt, die Trennung von Kirche und Staat vollzogen, kirchliche Ländereien wurden enteignet, Klöster aufgehoben, vollständige Religionsfreiheit garantiert, hohe Repräsentanten des katholischen Klerus des Landes verwiesen. Schließlich entschied Juárez, die Bezahlung der mexikanischen Auslandsschulden zunächst für zwei Jahre auszusetzen und lieferte damit dem Hauptgläubiger Frankreich den Vorwand zu militärischem Eingreifen und zur Entsendung eines Expeditionskorps.

Napoleon III. hatte in Frankreich ein nationalistisch-populistisches „Cäsarentum“ mit starken symbolischen Anklängen an die ära des großen Napoleon errichtet und sich, vor allem nach dem Triumph im Krimkrieg, zu einer Art Spezialist für Interventionen in globalem Maßstab entwickelt: in Syrien, China, im südlichen Indochina und schließlich in Mexiko. Unter diesen Voraussetzungen agierte Maximilian ab 1864 als Trabantenkaiser der französischen Besatzung, unglücklich und ohne realen Einfluss. Er erließ mit den besten Absichten eine Reihe von Reformgesetzen, die ausnahmslos ohne die geringste Folgewirkung blieben. Gleichwohl vermochte er sich mit einem bemerkenswerten Stück Herrschaftsarchitektur nachhaltig in das Erscheinungsbild der Hauptstadt einzuprägen: mit dem auf sein Geheiß errichteten, den Pariser Champs-Élysées nachempfundenen Pracht- boulevard Paseo de la Emperatriz, der von der Stadtmitte zur Residenz Chapultepec führt.

Als die USA nach Beendigung des Bürgerkriegs ihre außenpolitische Handlungsfähigkeit wiedergewannen, zogen sie an ihrer Grenze zu Mexiko Truppen zusammen, belieferten Juárez mit Waffen und konnten Frankreich zum Abzug seiner Truppen bewegen. Damit war das Schicksal des glücklosen habsburgischen Kurzzeitkaisers besiegelt. Mit den letzten ihm ergebenen Truppen zog er sich nach Querétaro zurück, das nach relativ kurzer Belagerung durch republikanische Verbände im Mai 1867 fallen sollte. Bis dahin in der neueren Geschichte einzigartig, wurde mit dem 35-jährige Maximilian ein Monarch als Kriegsverbrecher angeklagt, verurteilt und, nach Bestätigung des Urteils durch Juárez, zusammen mit den loyalen Generalen Tomás Mejía und Miguel Miramón, standrechtlich erschossen. Dem nach Mexiko entsandten Vizeadmiral Wilhelm von Tegetthoff gelang es nach langwierigen Verhandlungen, eine Freigabe des Hingerichteten für eine Überstellung nach Triest zu erwirken, von wo aus – sieben Monate nach der Exekution – die sterblichen Überreste nach Wien überführt wurden. Die bereits längere Zeit vor den dramatischen Ereignissen für (durchwegs erfolglose) Unterhandlungen u.a. mit Papst Pius IX. nach Europa zurückgekehrte Charlotte verfiel in der Folge der geistigen Umnachtung.

– Wolfgang Maderthaner –

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Brief Maximilians vor seiner Hinrichtung

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18. Juni 1867, Querétaro. Abschrift des letzten, unmittelbar vor seiner Hinrichtung verfassten Briefes Maximilians an seinen engen Vertrauten, den Palastoffizier Karl Schaffer.

Testament des Erzherzogs Ferdinand Maximilian

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5. April 1864, Miramare. Testament des Erzherzogs Ferdinand Maximilian, später Kaiser von Mexiko.

Erzherzog Ferdinand Maximilian

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Erzherzog Ferdinand Maximilian, jüngerer Bruder Kaiser Franz Josephs, später Kaiser Maximilian von Mexiko.

Hinrichtungskommando

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Das Exekutionskommando des Benito Juárez. Juni 1867, Querétaro.

Album des kaiserlich mexikanischen Offizierskorps

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Erzherzog Ferdinand Maximilian Joseph Maria von Österreich (1864), Marie Charlotte von Belgien, Carlota von Mexiko (1867). Das Album wurde 1911 vom Kriegsarchiv erworben.

Album des kaiserlich mexikanischen Offizierskorps

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Indianerin, Indianer, Sarapa – Tücher-Verkäufer, Korbhändler, Köchin, Ranchero – Landbauer, Kohlenhändler, Indianergruppe – Gegend von Orizaba.