Mozart und die Loge

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Das humanistisch-egalitäre Gedankengut der Freimaurer und die Rituale der Wiener Loge faszinieren das Ausnahmegenie Wolfgang Amadeus Mozart. Für diesen Mikrokosmos Gleichgesinnter schreibt der Logenbruder unter anderem sein letztes vollendetes Werk, die Freimaurerkantate, KV 623.

Seit Dezember 1784 war Mozart Angehöriger einer der Wiener Freimaurerlogen, vom „Lehrling“ stieg er über den „Gesellen“ letztlich zum „Meister“ auf. Sein letztes vollendetes Werk, „Eine kleine Freymaurer-Kantate“ (wie er sie in seinem eigenhändigen Werkverzeichnis bezeichnet), KV 623, ist nur eines von mehreren, die speziell für die Versammlungen des Bundes komponiert wurden. Im postmortalen Mythos wurde Mozarts maurerische Aktivität wiederholt zu wilden Spekulationen genutzt, die im angeblichen „Verrat“ von „Freimaurergeheimnissen“ in der Zauberflöte gipfeln.

Als Mozart am 14. Dezember 1784 – im Jahr 5784 maurerischer Zählung – als „Lehrling“ in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen wurde („Meister vom Stuhl“ war dort der Mozart schon aus Mannheim bekannte Otto von Gemmingen-Hornberg, späterer badischer Gesandter am Kaiserhof), war die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge für viele eine attraktive Option. Bereits 1742 war die erste Wiener Loge gegründet worden, und obwohl 1738 und erneut 1751 in päpstlichen Bullen verboten, gehörten den Logen bald höchst prominente Persönlichkeiten an. Das begann bei Maria Theresias Gemahl, dem Kaiser Franz I. Stephan (er war schon 1731 in Den Haag in eine englische Loge eingetreten), und reichte über die Elite von Wissenschaft, Kunst und Verwaltung bis in den hohen Adel. Die Geistlichkeit war eingeschlossen: Gleichzeitig mit Mozart wurde Wenzel Summer, seines Zeichens Kaplan in Erdberg, aufgenommen. Namen wie Gerard van Swieten, Joseph von Sonnenfels, Ignaz von Born, die Grafen Georg Feštetić und Franz Joseph Thun, schließlich Joseph Haydn und viele seiner Kollegen bezeugen die Attraktivität der maurerischen Arbeit. Doch die Mitgliedschaft war keineswegs auf elitäre Kreise beschränkt. Die Logenlisten führen Angehörige fast aller sozialen Schichten. Schriftsteller, Journalisten, Militärs und immer wieder Personen aus der josephinischen Verwaltung trafen sich hier. Diese egalitäre und demokratische Struktur war für Wolfgang Amadeus Mozart zweifellos von hoher Bedeutung. Zahlreiche Dokumente belegen seine Überzeugung, wonach der Wert des Einzelnen nicht von seiner sozialen Herkunft abzuleiten sei. Kaiser Joseph II. sah in der maurerischen Arbeit zwar eine Unterstützung seiner reformerischen Politik, gleichzeitig jedoch griff er Ende 1785 mittels eines kaiserlichen Handbillets (dem sogenannten „Freimaurerpatent“) regulierend ein. Offensichtlich geleitet vom Ziel, einen sich abzeichnenden Wildwuchs zu verhindern und die Freimaurerei unter Kontrolle zu behalten, wurde die Zahl der zugelassenen Logen (für Wien) auf drei „Sammellogen“ reduziert, keine Loge durfte nun mehr als 180 Mitglieder haben. (Die Zahl aktiver Freimaurer in Wien dürfte zuvor bereits bei rund 800 gelegen sein.)

Über die Deutung des josephinischen Handbillets wurde in den Logen natürlich heftig debattiert, vereinzelt gab es auch Renegaten, die die Freimaurer zu denunzieren versuchten. (Ein Erfolg war diesen Tendenzen erst unter Kaiser Franz I. beschieden.) Auch die Hocharistokratie machte sich nun rar. Trotzdem ging die maurerische Arbeit, auch die Mozarts, in den nunmehr gesammelten Logen – vor allem in der „Zur neugekrönten Hoffnung“ – weiter. Zur konkreten Arbeit gehörte vorrangig Wohltätiges, wovon auch Musiker profi tierten, nicht zuletzt Mozarts Familie: Nach seinem frühen Tod wurde die Freimaurerkantate von den Logenbrüdern zur Nutznießung der Witwe und der Kinder gedruckt.

Mozart, dessen Aufstieg in der Loge sehr schnell verlief, hat auch seinem verehrten Freund Joseph Haydn und seinem Vater Leopold den Eintritt in den „Kreis der Brüder“ ermöglicht. Die sogenannten „Ereignisprotokolle“ der Logen verzeichnen ihn als fl eißigen „Arbeiter“. Laut seiner Witwe Constanze soll er auch Pläne zur Gründung einer neuen „Gesellschaft“, „Grotte“ (Grotta) genannt, gewälzt haben. Hierbei könnte es sich durchaus um die beabsichtigte „Tochtergründung“ einer Loge gehandelt haben; die von Constanze dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel übergebenen Dokumente sind allerdings nicht erhalten.

Faktum ist, dass Mozart für seine Logenbrüder ausgiebig komponiert hat: Außer der Maurerischen Trauermusik, KV 477 (1786), hat sich jedoch wenig ins Repertoire retten können. Wichtig sind vor allem die Kantate Die Maurerfreude, KV 471 (1785) – gewidmet der Zentralgestalt der Wiener Freimaurerei Ignaz von Born, in der Literatur vereinzelt als Vorbild des Sarastro bezeichnet –, die erwähnte Freimaurerkantate, KV 623, sowie das Lied zur Gesellenreise, KV 468, dessen Thema die Vorstellung vom Leben als Reise zum Tod – verbunden mit der Symbolik „durch Dunkel zum Licht“ – ist.

– Christian Glanz –

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Präsenzprotokoll

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Präsenzprotokoll der Freimaurer-Eliteloge „Zur Wahren Eintracht“ vom 16. April 1785 und 22. April 1785, das Leopold und Wolfgang Mozart als Besucher anführt („von der Wohlthätigkeit“).