Kaiser und Kirche

Dokument 32

Mit der Resolution zur Kartause Mauerbach beginnt ab Anfang 1782 eine Welle von 700 bis 800 Klosterauflösungen: kontemplative Orden, „die dem Nächsten ganz und gar unnütz sind“, werden aufgehoben, ihr Vermögen einem bis 1940 bestehenden Religionsfonds einverleibt.

Kaiser Joseph II. führte in den zehn Jahren seiner alleinigen Regentschaft, ohne sich durch Widerstände beirren zu lassen, eine Fülle von Reformen durch, die einen bedeutenden Modernisierungsschub bewirkten. Zweifellos überforderte er seine Zeitgenossen oftmals mit dem rastlosen Bestreben, Neuerungen gemäß dem Grundsatz „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“ zu verordnen, ohne auf den tatsächlichen Bewusstseinsstand der Betroffenen Rücksicht zu nehmen [Modern times #2].

Einen sehr bedeutenden Teil des umfassenden Reformwerkes Kaiser Josephs II. stellen die Reformen des Kirchen- und Klosterwesens dar. Das Verhältnis von Kirche und Staat wurde neu definiert, die Geistlichkeit war nun Teil der Staatsverwaltung. In der Kirchenpolitik vollendete Joseph II. in den zehn Jahren seiner Alleinherrschaft bereits zu Zeiten Maria Theresias begonnene Reformprozesse. Schon diese hatte die „große Remedur“ angekündigt, deren Umsetzung durch Joseph II. gleich zu Beginn und in paradigmatischer Weise die Kartause Mauerbach betraf. Es gab jedoch schon vor den Klosterauflösungen Maßnahmen, die den Handlungsspielraum der Klöster einschränkten und so den Boden für die Aufhebung der kontemplativen Orden vorbereiteten.

Es sollte sich im Kontext der Klosteraufhebungen als günstig erweisen, dass zwei Mauerbacher Kartäusermönche gegen ihren Prälaten und über die in der Kartause vorgeblich herrschenden Missstände im März 1781 bei allerhöchster Stelle Beschwerde führten. Eine eigens eingesetzte Kommission konnte zwar bestätigen, dass es Verfehlungen des (in der Zwischenzeit gesundheitlich schwer angeschlagenen) Abtes gegeben hatte und zweifellos in der Kartause nicht tolerierbare Missstände herrschten, als Begründung für deren Auflösung hätten diese allerdings nicht gereicht.

Die Beschwerde führenden Mauerbacher Kartäuser Pater Marianus Herzog und Pater Athanasius Stiepach genossen nicht den besten Ruf, vor allem Pater Marian galt als widersetzlicher Unruhestifter, der offenbar nicht zum klösterlichen Leben berufen war. Gleichwohl wurden ihre Beschwerden Punkt für Punkt behandelt und mit 10. November 1781 das abschließende Gutachten der Hofkanzlei vorgelegt. Die am 6. Dezember 1781 ergangene kaiserliche Resolution lässt keinen Zweifel daran, dass der Kaiser längst über das weitere Schicksal der kontemplativen Orden entschieden hatte; womit wesentliche Aspekte der gegenreformatorischen Politik seiner Vorgänger revidiert wurden: „Nicht dieser Casus Specificus, sondern der schon lange bestehende Beweiß, daß die jenige Orden, die dem Nächsten ganz oder gar unnütz sind, nicht Gott gefällig seyn können, veranlassen Mich der Kanzley aufzutragen, in gesammten Erblanden die jenigen Orden männlich und weiblichen Geschlechts, welche weder Schulen halten, noch Kranke unterhalten noch sonst in Studiis sich hervorthun, von nun an per Commissarios durch die Landes-Stellen in einem jeden Lande aufzuschreiben, ihre Einkünffte und Vermögen, wie mit den Jesuiten geschehen, zu übernehmen, und denen Individuis davon einstweilen nur Pensionen auszuwerfen, und ihnen freyzulassen, entweder, da sie nicht so zahlreich sind, ohne Pension ausser Landes zu gehen, oder selbst bey der Behörde einzukommen, a Votis dispensiret zu werden, um den weltgeistlichen Stand antretten zu können. Ich verstehe unter diesen Orden gesammte Karthäuser, Kamaldulenser, Eremiten, dann alle weibliche Karmeliterinen, Klarisserinen, Kapuzinerinen, und dergleichen mehrere, so keine Jugend erziehen, keine Schulen halten, und nicht die Kranken warten, und welche sowohl weiblich als männliche blos vitam contemplativam führen. Die Kanzley wird also diesen Meinen Befehl in Vollzug sezen, und Mir ehestens den Vorschlag über die Art der Befolgung, und die Berichte über deren Einkünffte heraufgeben, damit Ich hiernach selbe zum Besten der Religion, und des Nächstens nuzbarer verwenden könne. Der Casus Specificus der Karthäuser zu Mauerbach wird durch diese Meine allgemeine Anordnung ohne dieß von selbst entschieden.“ Mit dem am 12. Jänner 1782 publizierten Aufhebungsdekret wurde dann auch ausführlich festgelegt, wie bei Klosterauflösungen in den Erblanden vorzugehen sei.

Im Herrschaftsbereich Josephs II. wurden 700 bis 800 Klöster aufgehoben, deren Besitz veräußert und der Erlös dem neu geschaffenen „Religionsfond“ zur Bestreitung seelsorgerischer Aufgaben einverleibt. Trotz aller Bemühungen, die Auflösung der Klöster genauestens zu regeln, war der Verlust von äußerst wertvollem Kulturgut nicht zu verhindern.

Bei der Auflösung der Kartause Mauerbach, die von der ersten Aufhebungswelle betroffen war, zeigte sich ein bemerkenswerter Charakterzug des Kaisers – nämlich die Manie, Abläufe bis ins Detail zu bestimmen. So verwundert es beispielsweise nicht, dass er bei der Veräußerung der beträchtlichen Weinbestände der Kartause Mauerbach persönlich eingriff.

Erst in den 1830er-Jahren war die Liquidation des gesamten umfangreichen Stiftsbesitzes abgeschlossen. Nach wechselvoller Geschichte – die Kartause diente als Versorgungsstätte für Alte und Kranke, als Herberge für Obdachlose oder als Depot für eine Sammlung von NS-Raubkunst – wird das ehemalige Kartäuserkloster heute vom Bundesdenkmalamt genutzt und steht im Zentrum der österreichischen Denkmalpflege.

– Susanne Kühberger –

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Kartause Mauerbach

Dokument 32

6. Dezember 1781, Wien. Kaiserliche Resolution u.a. zur Aufhebung der Kartause Mauerbach (inkl. Inventar).